Quelle:
frankenpost.de resyart.phtm
VOLKSFEST-RUNDGANG HINTER DEN KULISSEN Zwischen Verkostungen und Freifahrten das Volksfest von seiner anderen Seite kennen lernen
Die „geheimen Tricks“ der Schausteller
Das einzige, was am Ausschank in der Hofer Freiheitshalle aus Fässern kommt, ist die Limonade; die Orgel kann nicht zwei Mal das gleiche Stück in Folge spielen; in einer Banane sind mehr Keime, als erlaubt sind, um daraus Eis herzustellen. Bei einem Blick hinter die Kulissen des Hofer Volksfestes kam einiges ans Licht – etwa 30 Interessierte waren am Montagabend mit einigen Schaustellern hinter den Buden, Fahrgeschäften und Verkaufsständen unterwegs. Sie waren die Gewinner eines Preisrätsels, das die Schausteller kürzlich im Hofer Anzeiger ausgeschrieben hatten.
HOF – 150 000 Liter Wasser, 6000 Kilowattstunden Stromverbrauch in zehn Tagen, über 50 Sorten Crepes, 60 Effekte auf 24 Metern Länge – die Attraktionen auf dem Platz an der Freiheitshalle machen aus dem Hofer Volksfest eine Veranstaltung der Superlative. Auf 700 laufenden Metern können sich die Besucher durch die Lüfte wirbeln lassen, sich mit reichlich Kulinarischem eindecken oder ihr Glück beim Spielen versuchen. Doch damit die Welt aus bunten Lichtern, verführerischen Düften und anregender Musik funktionieren kann, bedarf es einer ausgeklügelten Logistik, harter Arbeit – und der Bereitschaft vieler, als „vogelfreie“ Schausteller von Ort zu Ort zu ziehen.
Neun Monate im Jahr sind die meisten von ihnen unterwegs, bereisen dabei oft die gesamte Bundesrepublik. Neun Monate, in denen sie in bis zu 25 Orten zu Gast sind, und dabei „vom Laptop bis zum Lappen“ ihren gesamten Haushalt dabei haben.
Lorenz Kalb, Vizepräsident des Deutschen Schaustellerbundes und „Chef“ der 56 in Hof vertretenen Anbieter, führte die etwa 30 Gewinner am frühen Abend durch das lärmende Fest und zu den ruhigeren Orten, von wo alles gesteuert und geregelt wird. „Im Schaustellergewerbe gibt es keine Geheimnisse“, versicherte er. Auch seine Kollegen zeigten sich den interessierten Augen, Ohren und Fragen der großen Gruppe gegenüber offen und ehrlich.
Das „Take off“, eine der beliebtesten Attraktionen auf dem Festplatz, war eine der ersten Stationen. „Bei höchster Leistung wirkt auf die Insassen eine Belastung von 4
G“ – der vierfachen Erdanziehungskraft –, erklärte Conny Ruppert, Besitzer des 1,5 Millionen Euro teuren Gerätes. Dabei braucht die hydraulisch gesteuerte Maschine, deren Herz vier große Schaltkästen bilden, in zehn Tagen 6000 Kilowatt Strom – damit könnte eine vierköpfige Familie etwa eineinhalb Jahre auskommen.
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Seit Generationen
„reisende Händler“
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Die Wildwasserbahn ist ein weiteres technisches Meisterwerk, das für Spaß und Vergnügen der Besucher sorgt: Die 150 000 Liter Wasser, die durch die Kanäle der Anlage fließen, „leihen“ sich die Betreiber aus der Hofer Wasserversorgung. Mit einem 25 Tonnen-Kran und acht Arbeitskräften benötigt man etwa 30 Stunden, um die Anlage aufzubauen.
Das ständige Auf- und Abbauen ist ein fester Bestandteil der Arbeit eines Schaustellers. Während der Saison gibt es so etwas wie einen geregelten Tagesablauf nur bedingt, Wartungsarbeiten und der eigentliche Festbetrieb bestimmen einen Großteil des Tages. Für sonst anfallende Arbeiten werden Handwerker und Lieferanten aus der jeweiligen Region herangezogen. Für die Abbauarbeiten werden von überall her Hilfsarbeiter angeworben, ansonsten besteht das Personal der Schausteller größtenteils aus Familienmitgliedern. Die meisten von ihnen sind schon in der sechsten oder siebten Generation „reisende Händler“.
Die Kinder der Schausteller sind davon besonders betroffen: Im Zwei-Wochen-Rhythmus müssen sie die Schule wechseln. Für Rudi Krug vom gleichnamigen Früchtestand ergeben sich dadurch viele Vorteile: „Ich habe drei Kinder, zwei davon haben die Schule bereits hinter sich und arbeiten schon als Schausteller. Mein jüngster Sohn ist 14, macht also noch den regelmäßigen Schulwechsel mit. Das schafft eine große Allgemeinbildung – man macht viele neue Bekanntschaften.“
Bekannte im Schaustellergewerbe gibt es viele, die meisten der jetzigen Besitzer sind von Kindesbeinen an dabei. So auch Josef Wunderlich, dessen Familie seit 70 Jahren mit einem Süßigkeiten-Stand auf Festen vertreten ist. Er gewährt nicht nur Einblicke in die Herstellung von gebrannten Mandeln – die nach sechswöchiger Lagerung übrigens besser schmecken als frisch –, sondern in sein Wohnzimmer: Der selbst gebaute Wagen lässt sich vom geräumigen Zimmer auf Lkw-Norm einfahren.
Mit Tricks arbeiten sie nämlich schon, die Schausteller: Das „Magic House“ ist ebenfalls ein hydraulisch-technisches Kunststück, und aus den Fässern am Ausschank kommt nur Limonade – das Bier strömt aus Tanks. Der Gerstensaft floss bei der Führung am Montag natürlich auch, die Gewinner kämpften sich durch Versuchs-Proben schokoladiger Früchte oder krosser Baguettes, und durften auch die eine oder andere Freifahrt unternehmen – zu Studienzwecken. Eis gab‘s auch: Die Creme wird meist künstlich hergestellt, da schon eine normale Banane mehr Keime hat, als für das Eis-Produkt erlaubt ist.
Treffpunkt des Rundgangs war selbstverständlich die Orgel, deren großer Blasebalg schon seit 1920 die 69 Instrumente antreibt. Und: Während eine Liedrolle abgespielt wird, spult sich die andere zurück – deswegen kann sie nie zwei Mal hintereinander das gleiche Stück spielen. CHRISTOPH PLASS
Das Herz des Fahrgeschäfts „Take off“: Besitzer Conny Ruppert lässt einen Blick auf einen Teil der Schaltanlagen zu
Was aussieht wie ein normales Wohnzimmer, kann per Knopfdruck auf nur wenige Meter Größe eingefahren werden – ein Segen, wenn man neun Monate im Jahr unterwegs ist FOTOS: cp
Crepes herstellen leicht gemacht: Geschick und Fingerspitzengefühl sind notwendig – auch in der großen Hitze im Verkaufswagen