Um von Michigan's Adventure zu berichten, muss ich ein wenig ausholen, da ich doch einige erlebnisreiche Anstrengungen unternommen habe, um den Park überhaupt zu besuchen. Gehört hier irgendwie zum Gesamterlebnis dazu, bei Nichtgefallen einfach nach unten scrollen.
Mein USA-Roadtrip ging von der Chicago Area aus weiter in Richtung Norden, ins schöne Milwaukee, WI. Ist für eine Stadtbesichtigung übrigens sehr zu empfehlen, besonders die Uferbereiche am Milwaukee River und natürlich am Lake Michigan sind absolut sehenswert. Hier hat mich Google Maps bei der Suche nach einer Route zurück an die Südspitze des Lake Michigan, wo ich zwei Mitstreiter für den weiteren Verlauf des Trips auflesen sollte, auf eine interessante Option aufmerksam gemacht: Die Fähre in östlicher Richtung über den See nach Musgekon, MI nehmen. Wo idealerweise auch gleich Michigan's Adventure liegt - ein Park, mit dem ich zwar lange schon mal geliebäugelt hatte, es durch seine Abgelegenheit aber nie in meine USA-Reiserouten geschafft hatte. Beim Anblick der Preisliste dieser Fährdienste klappte mir aber gleich die Kinnlade runter: Stolze 93$ kostet ein einfaches Ticket, und auch nur für das Fahrzeug. Alle Personen, die mitfahren, müssen nämlich ebenfalls ein Ticket für den Aufenthalt auf Deck lösen - ebenfalls im 90$-Bereich. Mit Sales Tax und irgendwelchen Treibstoffzollen sollte der Spass also etwas um 200$ kosten. Alle Alternativen wurden genau durchgedacht - sie alle hätten wohl eine ziemlich mühsame Durchquerung von Chicago zu Rush Hours zur Folge gehabt, wovor mir ehrlich gesagt grauste. Und derart halbwegs gescheit werde ich Michigan's Adventure in zukünftige Reisepläne so schnell wohl nicht wieder mit einschliessen können. Da es zeitlich also ideal passte und ich ein gutes Hotelangebot in der Nähe von Michigan's Adventure gefunden habe, ordnete ich das Ganze in die Kategorien "in den Ferien muss man sich ja auch mal was leisten" und "ein Stück Lebenserfahrung" ein, besorgte mir ein Ticket und setzte dann also mit der Lake Express-Schnellfähre nach Michigan über. Ist schon ein kleines Erlebnis, da die etwa 125 km lange Strecke über den See in knapp zweieinhalb Stunden absolviert wird. Einmal weit genug draussen, kann das doch recht grosse Schiff (fasst etwa 46 Fahrzeuge) auf bis zu 65 km/h beschleunigen.
Dass auf dem Aussendeck dann ziemlich windige Konditionen herrschen, brauche ich ja wohl nicht zu sagen.
Die Fähre
Milwaukee verschwindet im Dunst...
Zweieinhalb Stunden grenzenloser Horizont und Wasser soweit das Auge reicht!
Vollgas! 65 km/h erreicht das Ding.
Es war windig.
Nach zweieinhalb Stunden war Muskegon erreicht und die Fähre wurde in derselben, irgendwie faszinierenden Koordination entladen, wie sie in Milwaukee auch schon beladen wurde. Da man bei der Überfahrt eine Zeitzonengrenze überquert, musste man auch die Uhren noch nachstellen. Mein reserviertes Ramada lag eine gute halbe Fahrstunde vom Hafen entfernt, erstmal gings also dorthin um einzuchecken und meine Sachen abzuladen. Erfrischt ging es von da aus weiter zum knapp eine Viertelstunde entfernten Objekt der Begierde, Michigan's Adventure. Dank eines guten Hinweises auf der Anfahrtsbeschreibung der Website habe ich auch sofort hergefunden - man muss einfach eine andere Adresse als die Postanschrift eingeben, wenn man ein Navi zum Mietwagen dazu gemietet hat, dann landet man an der richtigen Ecke. Um es gleich vorweg zu nehmen: Diesen wunderbaren lauen Sommerabend hier werde ich wohl nie mehr vergessen!
Da dieser Park zur Cedar Fair-Gruppe gehört und ich im weiteren Verlauf des Trips noch einige Parks davon besuchen würde, besorgte ich mir bereits hier den Platinum Season Pass, der für 160 $ die Parkgebühr, den Eintritt und oft auch nette Gimmicks wie z.B. Early Entry beinhaltete. Im Prinzip hat man diesen Preis schon nach zwei Besuchen der grösseren Cedar Fair-Parks raus, lohnt sich auf so einer Reise also ungemein. Da das entsprechende Bearbeitungsbüro beim Parkeingang an diesem Nachmittag wunderbar leer war - in Kings Island einige Tage später hätte das bestimmt wesentlich länger gedauert -, hatte ich den Pass auch ruckzuck und ich betrat voller Vorfreude den Park.
Wie man sieht, ist er wunderschön um einen grossen See in der Mitte angelegt.
Auch hier war der Wasserpark im Eintrittspreis inbegriffen. Obwohl es hier klimamässig deutlich angenehmer und weit weniger schwül als drüben in Illinois war, haben sich an diesem Tag praktisch alle Parkbesucher dort getummelt - was zu angenehm kurzen Warteschlangen im Rest des Parks führte.
Aus diesem Grund fahre ich in den USA keine Raftingbahnen, wenn ich keine Ersatzkleidung dabei habe.
Auch die Wasserbahnen des Parks hatten regen Zulauf. Da sie sich alle in der Nähe des Wasserpark-Eingangs befanden, fuhren die meisten Besucher gleich in Badekleidung, was ausdrücklich erlaubt war. Es gab auch noch eine Röhrenrutschen-Anlage mit Schlauchbooten, davon habe ich aber keine Bilder. Nun aber zu den Achterbahnen des Parks!
Mad Mouse in der Nähe des Parkeingangs. Mäuse von Arrow haben im unteren Teil bekanntlich leicht gebankte Kurven, was beim Konzept Wilde Maus ja eigentlich doof ist, da möglichst viel seitliche
G-Kräfte wirken sollen. Von diesem "Mangel" merkte man aber nicht allzu viel, ich wurde trotzdem einige Male ordentlich in die harten Seitenteile der Sitze befördert. Fährt sich also meines Erachtens wie andere Mäuse auch. Wartezeit: 5 Minuten.
Corkscrew ist Standardware, fährt sich auch so. Seltsamerweise ist der erste der beiden
Korkenzieher irgendwie sanfter als der zweite. Hier war bei Einzugbetrieb Walk-on angesagt. Als nächstes war die schöne Wolverine Wildcat an der Reihe.
Habe im Nachhinein dann gelesen, dass sie in etwa nach dem Phoenix in Knoebels gemodelt sein soll - wie sich später noch herausstellen sollte, ist das eine guuute Sache.
Tatsächlich gibt es viele Gemeinsamkeiten: der Tunnel zu Beginn, die vielen kleinen Bunnyhops zwischen den höher gelegenen 180-Grad-Kurven und sogar der Double Up, auf den sofort ein Double Down folgt. Klar hat sie mich bei meinem Besuch vollauf begeistert; jetzt im Nachhinein betrachtet ist die Bahn aber natürlich nicht so rasant wie das Vorbild. Allein schon wegen den hier eingesetzten Standard-PTC-Zügen mit Sicherheitsgurten und Einzelbügeln. Dennoch eine spassige Bahn mit schönen
Airtime-Momenten, interessanter Streckenführung und guten Fahreigenschaften. Wartezeit: knapp 5 Minuten.
Weiter geht die Tour zum aus dem ehemaligen Geauga Lake hierhin versetzten Thunderhawk! Obwohl die Wildcat und Thunderhawk recht nahe beieinanderliegen, muss man erst eine gesamte Runde um den See herum machen, um zu dessen Station zu gelangen. Ein Verbindungsweg zwischen diesen beiden Bahnen könnte echt eine grosse Lücke im Parklayout schliessen.
Obwohl ich schon einige europäische Parks besucht habe, in denen diese Dinger normalerweise zuhauf zu finden sind, habe ich es noch nie geschafft mit einem zu fahren, weil sie jedesmal geschlossen hatten. Ist wohl einfach so, dass ich erst nach Michigan reisen musste, um mit meinem ersten SLC zu fahren.
Ich war gespannt auf die Fahrt - rein optisch machen die Dinger ja wirklich was her und ich dachte mir immer wieder, dass so toll aussehende Bahnen so schlimm schon nicht sein können.
Hier am See ist die Bahn wirklich echt toll in Szene gesetzt und lockt in der schönen Abendsonne doch geradezu zu einer Fahrt. Auch hatte ich gelesen, dass Thunderhawk angeblich ein besonders smoothes Exemplar ist.
Abschliessend kann ich nur eins sagen: Autsch. Ich verstehe das SLC-Bashing nun voll und ganz. Spass ist echt was anderes. Auch hier musste ich wieder um meine Sonnenbrille bangen - im Sidewinder wurden meine Ohren so malträtiert, dass sie wirklich fast runtergefallen wäre. Ehrlich, das rüttelt und schüttelt, dass es nicht mehr lustig ist - besonders arg war es auf den beiden Abschlusshügelchen. Auch sind die wuchtigen Schulterbügel mit diesen dämlichen Kappen auf der Seite wirklich unangenehm. Wie kommt man bloss auf die Idee, die so zu designen?!
Vekoma hat auf doch auf anderen Coastertypen - auch Custom SLCs! - bewiesen, dass es auch anders geht. Ich kann die positiven Erfahrungsberichte also leider nicht nachvollziehen, fairerweise muss ich aber auch nochmals anmerken, dass ich keine Vergleiche diesbezüglich machen kann. Einmal hat hier gereicht. Wartezeit: knapp 10 Minuten.
Nun aber wieder ans andere Ende des Parks, wo ich mehr als nur gebührend für alles entschädigt werden würde...
Über die gesamte Länge des riesigen Parkplatzes erstreckt sich mäjestätisch die grossmächtige Shivering Timbers!
Obwohl man dadurch schon bei der Anfahrt versucht ist, hier gleich als erstes mitzufahren, sollte man sie sich unbedingt zum Schluss aufheben, wenn man wie ich bei meinem Besuch die Wahl hat.
Klar könnte man das Layout einfach als einfallslos abtun und die Bahn daher nicht unbedingt als "Must do" einstufen... Aber meine Fresse, würde einem da etwas entgehen! Dies, liebe Leute, ist nicht nur einfach eine endlose Aneinanderreihung von Hügeln. Was man hier vorfindet, ist Out and Back in absoluter Vollkommenheit. Ganz ohne Übertreibung. Ein Hügel nach dem anderen und einfach nur irrsinnig schöne floating
Airtime auf jedem einzelnen! Fliiiegen und dann in den Sitz gepresst werden, schweeeben und hineingedrückt werden, immer und immer wieder, bis es nicht mehr geht! Worte können nicht beschreiben, was für einen unnachahmlichen Adrenalinschub ich hier bei jeder Fahrt erleben durfte. In der lauen Abendstimmung mit weit hochgestreckten Armen in einem brachialen Tempo über diese unendlich langen Hügelstrecken donnern... Starker Gegenwind am ganzen Körper, der das T-Shirt flattern lässt... Und jedesmal sanft und laaange aus dem Sitz abheben und gegen den wunderschönen Abendhimmel schweben, bevor man dann wieder nach unten gesogen wird und die positiven
G-Kräfte zu spüren bekommt... Und das Ganze begleitet von diesem so wunderschön ratternden, schüttelnden, wilden Holzachterbahn-Feeling... Absolute Weltklasse, diese Bahn! Ich war und bin hellauf begeistert! Lasst euch nicht abschrecken, schaltet die kritischen Stimmen im Hinterkopf aus - dies ist ein absolutes Meisterwerk und jeden noch so langen Umweg wert!
Es heisst zwar, dass die Bahn früher besser gefahren sein soll, und auch in den Rankings ist sie ja immer wieder etwas zurück gerutscht. Aber auch in ihrem "jetzigen Zustand", wenn man das so nennen kann, hat sie mich voll und ganz aus den Socken gehauen! Auf jeder Sitzposition im Zug eine einfach unglaubliche Fahrt.
Obige Aussage ist wohlbegründet, denn obwohl wie man hier sieht wenig Andrang herrschte, lief die Bahn im Zweizugbetrieb. Cedar Fair-Kundenservice wie aus dem Bilderbuch!
Dies resultierte natürlich in dutzenden Wiederholungsfahrten auf unterschiedlichen Sitzplätzen, bis mir sprichwörtlich schlecht wurde. Zwischen dem kleinen Complimentary Breakfast am Morgen in Wisconsin und den extremen Körperleistungen, die Shivering Timbers mir hier abverlangte, war nun doch ein ganzer Tag vergangen. Nach einer kurzen Zuckerzufuhr gings dann aber gleich wieder weiter, bis sich dann nach insgesamt sicher fast zwanzig Fahrten oder so irgendwann mein Rücken meldete.
Dieses abschliessende Bild zeigt den hinteren Teil der Bahn, wo sie ein wenig von der vorherigen "Norm" abweicht: Hier folgen auch mal einige flachere Hügel, es gibt vor und im Abschnitt nach der Kehrtwende auch Double Ups und ebenfalls einen kleinen, in Onride-Videos kaum wahrnehmbaren Tricktrack-Abschnitt, in dem man leicht zur linken Seite geworfen wird. Hierauf folgen dann die Bunnyhops auf dem Rückweg zur Station, die durch das massive Stürzwerk hindurch gebaut sind. Hier wird die Fahrdynamik durch eine, ich sag mal "Geräuschkulisse", verstärkt. Beim Onride-Video von Coasterforce kann man das, was ich meine, etwa ab 1:40 hören.
youtube.com watch Vier- oder fünfmal hintereinander eine Art "Swooosh... Rampampampam". Ich weiss, dass das irgendwie doof klingt, aber diese Geräuschabfolge beschreibt die Härte dieser Hügel besser als tausend Worte.
Am Ende der zweiten Hügelstrecke wartet dann noch das Foto und die grosse Abschlusshelix, dann ist die wirklich sensationelle Fahrt zu Ende.
Ihr seht, ich habe mit Shivering Timbers meinen Nr. 1 Woodie gefunden, hat einfach alles übertroffen, was ich mir auch nur im entferntesten ausgemalt hatte. Bei mir persönlich steht die Bahn sogar noch über der Voyage und El Toro, die mich im weiteren Verlauf des Trips zwar auch, aber einfach auf andere Weise begeistert hatten. Das wird jetzt wieder für Zündstoff sorgen, ist aber einfach meine ganz persönliche Meinung.
Zach's Zoomer, ein Junior Woodie, hatte beim ersten Vorbeigehen technische Probleme und nach meinem Shivering Timbers-Flash konnte ich mich dann nicht noch zu einer Fahrt damit aufraufen. Ob ich da was verpasst habe?
Was bleibt abschliessend zu sagen? Michigan's Adventure ist ein absolut genialer kleiner Park mit einigen guten Bahnen und einem Sahnestück, dass sich als DIE Trouvaille der ganzen Reise herausgestellt hat. Völlig k.o. ging es dann zurück ins Hotel, wo ich bei einer schönen Pizza Hut-Mahlzeit (gibts in der Schweiz ja nicht mehr, muss ich also ausnutzen
) den Tag ausklingen liess. Übrigens habe ich in diesem Ramada ein absolutes Kuriosum in den USA erlebt: Aus dem Wasserhahn kommt völlig chlorgeruchfreies Trinkwasser! Alles in allem hat sich die doch recht aufwändige und teure Umplanung der Route als absoluter Glücksfall herausgestellt und ich bin total froh, es so gemacht zu haben. Dieser wirklich wunderbare, mit Sinnesreizen und neuen Erfahrungen nur so überflutete Tag wird mir noch lange als einer der schönsten der ganzen Reise in Erinnerung bleiben.
Dankeschön fürs Lesen, als nächstes folgt ein Stippvisiten-Bericht von Indiana Beach!