SPOILERWARNUNG: Dieser Bericht enthält Backstagebilder und eine Beschreibung der Funktionsweise von Hex bzw. von Madhäusern allgemein. wer sich davon die Illusion dieser Anlagen nicht zerstören lassen will, liest besser nicht weiter.
The Story of the Towers
Backstage @ Hex
Was hatte sich unsere Reiseleitung dabei nur Gedacht? Als wären wir den heutigen Tag in Alton Towers nicht genug gelaufen, so wandern wir nun noch quer durch den Wald.
Den Bus hinter uns gelassen, laufen wir Tiefer und tiefer in den Wald...
...auf den Spuren der Geschichte der "Old Chained Oak"
"Chained Oak"? Angekettete Eiche? Wer nun meint, die Briten hätten sie nicht alle, dem sei gesagt: die warn im 19. Jahrhundert wohl noch schlimmer. Denn in dieser Zeit entstand die Legende der Old Chained Oak, auf der die Attraktion HEX basiert bzw. die diese fortsetzt...
1. Die Legende der "Old Chained Oak"
England, 1821. Es war eine stürmische Herbstnacht, als John Talbot, der 16. Earl of Shrewsbury, sich auf dem Rückweg nach Alton Towers, dem Familiensitz der Talbots befand. Sein Ziel fast erreicht war der Earl nicht erfreut, als sein Kutscher mittem im Wald anhielt.
Draussen stand eine alte, gebrechliche Frau. Eine Bettlerin, wie es sie in diesen Zeiten, in denen der Großteil der einfachen Bevölkerung bettelarm war, zuhauf gab. Der Earl wies seinen Kutscher an, weiterzufahren. Alles bitten und flehen der alten Frau half nichts, schroff wies der Earl ihre Bitte nach einer Münze zurück. Zurück, alte Hexe, wirst du deinem Lehnsherr wohl Platz machen!
Als sich die Kutsche in Bewegung setzte, belegte die alte Frau den Earl mit einem Uralten Fluch:
"Als Hexe schimpfst du mich, lässt mich bei Sturm und Wetter bettelarm wie ich bin zurück. Strafen soll dies fluch dich und deine gesamte Familie, wann immer ein Ast von dieser starken Eiche bricht, einer aus deiner Familie wird sterben"
Doch der Earl lachte nur über die alte Frau.
Noch in der selben Nacht brach im Sturm ein großer Ast der alten Eiche, in eben jener Nacht starb ein Mitglied aus der Familie des Earls unerwartet.
Am nächsten Tag lies der Earl die alte Eiche in starke Ketten legen, aufdas niemals mehr ein Ast abbrechen könne. Bis heute steht die Eiche an ihrem Platz, noch immer zeugen die starken Ketten, inzwischen tief mit dem Holz verwachsen, von der Legende.
(Es gibt eine zweite Version der Legende, nach der der Sohn des Earls am Morgen auf seinem Ausritt unter der alten Eiche entlangritt. Neben der Eiche stand die alte Frau. In eben jenem Moment brach ein starker Ast von der alten Eiche ab und erschlug den Sohn des Earls. Britische Historiker halten diese Version für plausibler, da es Aufzeichnungen über einen Reitunfall in der Gegend zu eben dieser Zeit gibt.)
Die Legende der Chained Oak endet hier, die Geschichte von "Hex" beginnt hier jedoch erst richtig. Basierend auf der Legende führt Hex die Geschichte um John Talbot weiter...
2. Die Geschichte der Türme von Alton
Willkommen in den Alton Towers, dem ehemaligen Stammsitz derer der Talbots
John Talbot, der Earl of Shrewsbury, war auch ein angesehener Gelehrter und Anhänger der neu aufkommenden Wissenschaften. Nie hatte er an Flüche oder Magie geglaubt, doch was in jener Schicksalshaften Nacht in 1821 geschehen war, lies ihm fortan keine Ruhe mehr. Noch am Tag als die alte Eiche in Ketten gelegt wurde, brachten seine Männer den abgebrochen Ast in sein Labor, tief in den gemäuern der Alton Towers, dem Familiensitz. Tag und Nacht experimentierte er mit dem Ast, fest entschlossen, mit seinen Wissenschaften den Fluch der alten Dame besiegen zu können. Wahnsinnig und besessen starb er einige Jahre darauf. Alton Towers wurde als Familiensitz aufgegeben, zusehends verfiel das altehrwürdige Gemäuer, bis nur noch die Ruinen übrig blieben. Zweihundert Jahre blieb der Earl und sein Labor in vergessenheit versunken.
Im Jahr 2000. Schon lange gehört das Gelände und die Gärten von Alton der Tussauds Gruppe, die dort einen Themenpark eröffnet hat. Bei Renovierungen in der Ruine fand man den Eingang zu den Laboren des Earls, versteckt hinter einem Bücherregal. Als Besucher des parks kann man die Ruinen und das Labor besichtigen, doch ist die Maschine des Earls noch immer in Funktion und zieht die besucher mit in ihren Kampf gegen den uralten Fluch...
Bei vollem Wartungslicht betreten wir den Wartebereich
und sind erstaunt, wieviele Originalexponate dort als Kulisse dienen. Der gelbstich kommt btw. von meinen Kameras, die leider beide mit den HQI- Wartungsbeleuchtungen nicht klarkamen.
Der erste Preshow- Raum. Hier wird auf der Leinwand die Geschichte der Chained Oak den Besuchern näher gebracht.
Für den Normalbesucher, der die Räume nur abgedunkelt erlebt, bleiben diese Technikeinbauten verborgen...
...ebenso wie der neben der Tür aufgebaute Kontrollstand für die Preshow sowie die kameraüberwachung des Wartebereichs.
Weiter geht es in die große Haupthalle
mit der alten Frau, die den Besuchern erklärt, dass ihr Fluch noch immer nicht besiegt ist.
Durch das alte Bücherregal gelangt man ins Herz des Labors, direkt in die Maschine des Earls, die nun aber abgeschaltet und wie die anderen Bereiche im Wartungslicht erstrahlt.
3. Backstage
Raus aus der eigentlichen Fahrattraktion führt uns unser Guide durch einen Notausgang hinter das Gebäude und von dort zunächst in den Keller. Durch diesen betreten wir wieder den Raum, in dem wir zuvor standen. Diesmal allerdings ausserhalb der Trommel.
"Hex" ist ein Madhouse von
Vekoma in der großen Variante. Wer sich schon immer mal gefragt hat, wie solch ein Madhouse funktioniert, hier die Antwort:
Der Fahrgastträger innerhalb der Trommel kann hydraulisch bis 20° in beide Richtungen geneigt werden, während die Trommel sich drumherum dreht. Der Fahrgast nimmt die Neigung zwar wahr. Durch die sich bewegende Trommel kann das Gehirn diese Info aber nicht korrekt verarbeiten, da die vom Gleichgewichtsorgan im Mittelohr gelieferten Bewegungsinformationen nicht zu den von den Augen gelieferten Visuellen Informationen passen. Das wird ausgenutzt, um die Illusion der Fahrt zu erzeugen: bei entsprechender Abstimmung der Bewegungen von Trommel und Träger erzeugt man beim Gast die Illusion eines Überschlags, tatsächlich neigt man sich kaum weiter als auf einem guten Chefsessel.
Funktionieren tut das aber nur, wenn die Bewegungen von Trommel und Gondel gut abgestimmt sind. Sind sies nicht, dann kann man mit dieser Anlage statt der Illusion eines Überschlags die Gäste auch mit der sogenannten "Motion Sickness", also "Bewegungsübelkeit" quälen: Man wird schlichtweg Seekrank, da ein Madhaus vom Medizinischen Standpunkt aus sich genau das zunutze macht, was Menschen nunmal Seekrank werden, oder z.b. im Bus oder im Flugzeug übel werden lässt.
Die Trommel von aussen. Erst hier erschliesst sich einem die tatsächliche Größe der Anlage, denn durch die Kulissen innerhalb der Trommel wirkt diese von innen wesentlich kleiner.
Blick zur Decke.
Und zur anderen Seite, in diesem Fall zur Einstiegsseite. Dort befindet sich auch der Kontrollraum der Anlage.
Der Antrieb der Trommel. Auf jeder Seite gibts ein solches Motorenaarragement.
Der Kasten im Vordergrund ist eine Handbetätigte Seilwinde...
...die zum Notfallplan der Anlage gehört. Wenn aus irgendeinem Grund -Stromausfall, Steuerungsdefekt ect...- sich die Trommel nicht mehr per Motor drehen lässt, kommt die Winde zum Einsatz. Denn die Gäste können die Trommel nur verlassen, wenn sich diese in der korrekten Position befindet. Dabei ist die Trommel jedoch so schwer, dass diese sich selbst bei abgebauten Motoren nicht einfach von Hand drehen lassen würde. Im Notfall wird das Seil von der Winde abgewickelt und weiter oben an der Trommel eingehakt. Dann kann man per Winde die Trommel bewegen. Das wird solange wiederholt, bis die Trommel in der richtigen Position ist.
Der Fahrgastträger in der Trommel bewegt sich bei einem ausfall der Hydraulik von alleine in seine Parkposition, so dass hier kein manuelles System nötig ist.
Im Gegensatz zu einem weit verbreiteten Irrtum (wobei ich nicht sicher bin, ob andere Hersteller das nicht doch so gelöst haben) funktioniert die Stromversorgung der Trommel über Schleifkontakte an den Lagern. Der verbreitete Irrtum besteht in der Auffassung, dass sich auf der Trommel ein Kabel auf- und abwickeln würde, was die Bewegung der Trommel auf einige Umdrehungen begrenzen würde.
Das ist der Hydraulikantrieb für die Gondel. An der Gondel selbst sitzen -in den Wänden zwischen den Einstiegstüren- je zwei hydraulikzylinder pro Seite, die die Gondel bewegen.
Der Steuerstand der Anlage. Von hier werden sowohl die eigentliche Fahrt als auch die zweite Preshow gesteuert.
Der Operator steuert dabei nur die Türen und die Bügel, und startet die Fahrt. Die Fahrt als solche läuft vollautomatisch, der Operator kann diese allerdings vorzeitig abbrechen, falls nötig. Ebenso hat er natürlich einen Nothalt- Knopf. Während bei einem manuellen Abbruch des Fahrprogramms die Trommel automatisch in die Ausgangsposition zurückfährt, wird bei einem Nothalt die Trommel vollständig gestoppt. Was den Nachteil hat, dass man dann die Gäste nicht aussteigen lassen kann, ohne vorher die Trommel manuell in die Ausgangsposition zu fahren. Und das wiederum kann nur ein Techniker, der Operator hat diese Möglichkeit idr. nicht.
das Steuerpult der Anlage. Die drei weissen Knöpfe unten rechts steuern die Türen und die Bügel. Der Grüne Knopf links von den beiden roten Warnleuchten startet bzw. beendet das Automatikprogramm. Der Nothaltknopf ist Schlüsselgesichert, d.h. einmal betätigt kann der Operator den nicht resetten, er braucht dann nen Techniker. Der Schlüsselschalter rechts neben dem Nothalt dient dem Rückfahren der Trommel in die Nullstellung.
Der PC- Monitor zeigt dem Operator die Fahrposition an. Die Grafik zeigt den Querschnitt durch die Trommel mit der Gondel. Ist die Anlage im Wartungsmodus -per schlüsselschalter auf dem Steuerpult-, kann der Techniker über diese Steuersoftware auch z.b. die Trommel manuell drehen oder die Gondel bewegen. Läuft übrigens unter schnödem Windows.
So sieht die Anlage von Aussen aus. Das Madhouse direkt in die Ruinen der Towers zu integrieren war aus Denkmalschutz- und Platzgründen nicht möglich. Einfach danebenstellen und als Eingang ein Loch in die Wand kloppen ging aber.
Hinter dem Gebäude quer durch den Backstagebereich laufen wir zurück zum Eingang...
...um uns von unseren Tourguides zu verabschieden.
Und um auf dem Heimweg noch den zu Anfang erwähnten Abstecher zur Chained Oak zu machen.
An sich bin ich kein großer Fan von Madhäusern. Dennoch finde ich Hex absolut gelungen, zum einen durch das geniale Setting und die damit verbundene Atmosphäre der Anlage, in die ein Teil der originalen Towers als Warteschlange integriert ist. Zum anderen durch die stimmige Fahrt, die meisten anderen Madhäuser empfinde ich schlicht als langweilig. Die Krönung ist natürlich die auf der realen Legende der Chained Oak aufsetzende Storyline der Anlage.
Wer sich für Geschichte und alte Bauwerke interessiert, dem sei geraten, nach der Fahrt nicht blind den "Exit" Schildern hinterher zu laufen. Der Ausgang führt nämlich weiter durch die Ruine, welche ständig weiter restauriert wird. Statt dem kürzesten Weg den Schildern hinterher kann man sich aber in der Anlage auch frei bewegen, auch sind einige der Türme und der Dächer begehbar.
Ich hoffe euch gefällt dieser kleine Einblick hinter die Kulissen eines der besten Madhäuser ever. In den nächsten Tagen komme ich auch hoffentlich dazu, mal ein paar weitere Fotoberichte der Englandtour zu machen. In den letzten Wochen hab ich das leider nicht geschafft..