So, ich habe jetzt auch mal die nötige Zeit gefunden, mir dieses Monster von Bericht (Monster? War da nicht was? ) zu Gemüte zu führen.
Ja, man muss schon den einen oder anderen Seitenhieb wegstecken können, wenn man vor 18 Monaten noch beteuert hat, über ebendiesen Parkbesuch einen Bericht zu verfassen. Inzwischen sind andere Touren unternommen worden und man hat ganz ehrlich auch interessantere Berichte zu schreiben – oder zumindest Freizeitparks besucht, welche auch eine gewisse Neugierde beim Leser wecken. Es folgt eine Reise in die nahe Vergangenheit. Hin zu Zeiten vor dem Verkauf des Walygator Parc, als ich noch keinen einzigen B&M-Inverter auf meiner Liste stehen hatte, aus einer Zeit, als ich noch nicht im Französisch-Wörterbuch nachschlagen musste, wie man „99“ schreibt.
Für mich ist es gerade ein ziemlich spannendes Projekt, das mit einer gewissen Nostalgie behaftet ist. Nichts in der eigenen Erinnerung ist wohl so sehr idealisiert wie die erste selbstgeplante Achterbahntour. Was war das damals für ein Gefühl, sich um 5:00 morgens ins Auto zu setzen, eine Scheibe von El-P einzulegen und dann … Well, pump this shit like they do in the future! Und zwar die ganze Zeit, während man Deutschland, die Niederlande und Frankreich unsicher macht. Wie eine unerforschte Achterbahnlandschaft wartet selbst die eigene Heimat nur darauf, von mir erkundet zu werden, und hinter jeder Ecke verbirgt sich noch eine echte Überraschung. Irgendwo mitten in diesem Rausch besuchen Julian und ich den Walygator Parc.
An dieser Stelle die Bitte um Nachsicht bei der Bildqualität – 2012 bin ich eben noch mit einer Nikon S5 durch die Parks geschlendert
Anaconda. Die Geschichte „Als Patrick nach Frankreich fuhr, um Achterbahn zu fahren…“ habe ich inzwischen sicher schon ein dutzend Mal erzählt. So weiß ich noch ganz genau, dass die Hitze uns ziemlich in die Knie gedrückt haben muss. Das Thermometer im Auto hatte zwischenzeitlich die 40°C überschritten, als wir am frühen Nachmittag Les Metz erreichen. Ein kurzer Blick auf die Count-Liste: „Wir haben Monster, Anaconda, den Appel und noch den Vekoma-Looper.“, während wir das Nötigste an Flüssigkeit in unseren Rucksäcken verschnüren. Im Park fühlen wir uns dann angesichts des hervorragenden Wetters ein wenig einsam – auch die sommerliche Öffnungszeit bis 22:00 scheint heute keine Besuchermengen anzuziehen. Dennoch erledigen wir das Wichtigste zuerst. Auf zur Anlage, auf die wir am meisten gespannt sind, und die zumindest teilweise Grund unserer Anreise ist: Wir betreten den schlechtesten Woody der Welt, Anaconda.
Zwischen Sandsäcken und leeren Reihen nehmen wir Platz und rollen einer kuriosen Achterbahnfahrt entgegen. Bereits auf dem Lifthill wirkt das durchhängende Gebälk konzeptlos zusammengezimmert. Wenn die schon keine Gerade hinkriegen, kann das ja noch heiter werden. Behutsam lehnen wir uns dem First Drop entgegen und … wir lehnen uns dem First Drop entgegen und … wir lehnen uns dem First Drop entgegen und endlich packt die Schwerkraft den Zug und beschleunigt ihn sanft, während die Rollen immer heftiger über die Schienen tanzen. Im Vorbeifahren bin ich ziemlich sicher, ein grasendes Pferd unter den Stützen zu sehen. Schon verlieren wir wieder an Tempo und erklimmen den ersten Camelback, der auch eine 180°-Kehrt einleitet - am Scheitelpunkt ist aus gutem Grund eine Rücklaufsperre befestigt. Das typische Klacken des Safetydogs wird immer langsamer, während der Zug darüber hinwegschleicht, und erinnert an eine Uhr, die bald stehen bleibt. Dieses Fahrerlebnis wiederholt sich beinahe zehn Mal, ehe man in die Schlussbremse einfährt.
Anaconda hat keinen Thrill, keine Airtime, keine herausragende Beschleunigung, keine spannenden Turns, … auch keine Inversionen. Die Fahreigenschaften sind in meinen Augen jedoch absolut verträglich, wenn auch der ein oder andere Haken ausgeteilt wird. Die Anlage ist ganz bestimmt kein „Ich-hab-blaue-Flecken,-aber-es-war-trotzdem-geil!“-Woody. Anaconda ist noch nicht einmal ein blauer-Flecken-Woody - von einem geilen Woody ganz zu schweigen. Im Ernst, die Bahn ist in Ordnung. Sie tut einem nichts Schlimmes. Nur eben auch nichts Gutes.
Aufgrund des Sprühnebels am Eingang bin ich eigentlich sogar dankbar, dass es Anaconda gibt
Einer dieser Camelbacks
Die zweite 180°-Kehrt der Anlage
Schlange im Abendrot
Monster. Die Fahrt auf dem Woody hat als Auftakt zwar getaugt, jedoch sind wir auf der Suche nach einem guten Grund, noch bis in die späten Abendstunden in Les Metz zu verweilen. Wir betreten also die nackte Station des B&M-Inverters – mit eingebauter Dusche. Diese befindet sich auf der Stationsplattform und hält einen Gartenschlauch in der rechten Hand, mit dem vorzugsweise Kollegen geplagt werden. Ein absolut spaßiger Job, der zu diesem Ride-Op (?) wie die Faust aufs Auge zu passen scheint. Insbesondere die First Row bekommt auf dem Weg zum Lift gerne nochmal eine Abkühlung serviert, die jedoch bei diesen Temperaturen wirklich alle dankend annehmen.
Also nehmen auch wir in meinem ersten Inverter der Edelschmiede Platz und ziehen die Bügel herunter. Es wirkt schon alles arg billig, schließlich liegen um uns herum Teile eines ausgeschlachteten Zugs und der ausgebauten Blockbremse … Wir hören ein Kreischen aus der ersten Reihe, als wir in den Lift einfahren. Da wurde wohl jemand gegossen.
Am Ende des kurzweiligen Kettenlifts mit antiquierten Spuren der vorletzten Lackierung hängt der vordere Teil des Zuges bereits tropfend in den First Drop hinein und wir Nachzügler werden schwungvoll in eine abwärtsführende Linkskurve hineingezogen. Auf den rechten Außenplätzen kommt beim Auslauf des Bankings unerwartete Airtime auf. Die Schwerelosigkeit währt jedoch nicht lange, schließlich wird man im Tal bedacht in die Sitzschale gedrückt und durchfährt den beeindruckend hohen Looping. Der Zug röhrt nur so über die Schiene hinweg und schraubt sich direkt in die zweite Inversion – eine Zero-G-Roll, bei der die Insassen gekonnt um die eigene Achse geschleudert werden. Über eine etwas lustlos wirkende Gerade heizen wir den nächsten beiden Inversionen entgegen, welche – als Cobra Roll verschnürt – den Kehrpunkt des Layouts bilden. Das Element erfüllt seinen Zweck, jedoch bin ich offen gesprochen kein großer Fan dieser Fahrfigur. Noch dazu zählt sie zu der einzigen Stelle, an der das Monster wirklich einige saftige Schläge austeilt. Ansonsten fährt der Inverter nämlich wirklich sehr ruhig.
Über eine Kurve schrauben wir uns zur ausgebauten Blockbremse und rauschen alsbald wieder hinab in den ersten Flatspin. Mein Schwede, drückt das Ding jetzt durch! Etwas unbeholfen gurken wir durch die Einöde, plötzlich ein Drop, Airtime und die sechste Inversion wirbelt uns wie Spielzeug durch die Luft. Wir legen uns nach rechts in eine nicht enden wollende Aufwärtshelix. Der Druck setzt sofort ein und bleibt auch erst einmal eine ganze Weile bestehen. Während sich das Sichtfeld langsam ausdünnt, richtet sich die Aufmerksamkeit unweigerlich auf den eigenen Körper, der verzweifelt versucht gegen die unaufhörlichen Kräfte anzukommen. Tatsächlich kann ich mich an keine andere Achterbahn erinnern, die mir mit einer derart hohen Wahrscheinlichkeit bei einem Re-Ride die Lichter ausgeknipst hat – nicht einmal Goliath in Magic Mountain kann das, obgleich dort die schiere Dauer der Helix erdrückender ist. Die Welt wieder klar vor Augen legen wir uns direkt in die nächste Kurve, welche auch zugleich das Ende des Layouts markiert. „Nochmal?“ Nochmal!
Monster wird für mich immer ein besonderer Inverter bleiben, schließlich haben wir insgesamt sechzehn Runden auf dieser Schleuder verbracht. Und auch nach diesen sechzehn Fahrten lässt mich das Gefühl nicht los, dass auch eine siebzehnte noch schön gewesen wäre. Ja, wir hatten definitiv eine gute Portion Spaß mit diesem Coaster. Allein der Moment, als Julian und ich aus aller Kraft im letzten Flatspin „quatre-vingt-dix-neuf!“ gröhlten, um unseren 99. Überschlag des Tages zu feiern, ist für mich eine der schönsten Achterbahn-Anekdoten des Jahres. Doch auch objektiv hat es Monster faustdick hinter den Ohren und ist meines Erachtens (rein von fahrdynamischen Aspekten) anderen Invertern deutlich überlegen. Allein Flight Deck reicht ihr vielleicht das Wasser, ist jedoch dafür einfach ein paar Meter zu kurz geraten.
ERT mit vier Franzosen in der First Row
Detailreiches Stationsgebäude
Es glaubt mir ja sonst doch niemand …
Riesenloop
Die berühmte Nicht-Bremse
Mörderhelix
Family Coaster. „Ich glaub, ich brauch ne Pause.“ Auf zum Apfel-Coaster, meiner ersten Anlage dieses Typs. Zuerst schlägt man sich beim Einsteigen die Knie auf, dann muss man sich aus Angst um sein Leben beim Durchfahren des Apfels ducken, wobbelt sinn- und zweckentfremdet über eine Ebene und schließlich nach unten in eine Bremse. Zumindest mir macht dieses Achterbahnerlebnis schon irgendwie Spaß. Allerdings hätte ich damals nie gewettet, dass eine solche Bahn eines Tages mein 100. Count wird. Der Plohn-Bericht von 2012 ist übrigens auch noch fällig.
Nicht einmal die schlechteste Anlage im Park
Waly Coaster. Ein Haken bleibt uns noch zu holen und wir erwarten mit ihm die heute schmerzhafteste Fahrt – Anaconda hat schließlich keine Schulterbügel. Der Vekoma Multilooper im Walygator Parc sticht jedoch vom Rest des Parks und auch von vergleichbaren Anlagen auf eine angenehme Weise hervor. Zum einen begrüßt uns zum ersten Mal in Les Metz ein frisch lackierter, gut aussehender und farbenfroher Track, der sich wirklich elegant über unsere Köpfe hinwegschraubt; insbesondere der Looping ist geschickt platziert und verleiht dem Waly Coaster von außen eine gewisse Würde. Zum zweiten zeigt Vekoma auf dieser Anlage tatsächlich den weichen Kern, den ich unter der harten Schale längst verloren geglaubt habe. Freilich gibt es in der Helix einen schmackhaften Schlag – ansonsten wäre es kein Original – doch sämtliche Inversionen und alles zwischendrin werden beinahe reibungslos abgespult. Ein absolut liebenswertes, nettes Bähnchen, das nur leider allzu schnell in Vergessenheit gerät.
Farbenfroher Track
Looping auf Tuchfühlung
Ver-corkscrewed
Waly hier, Waly da. Mit den Counts in der Tasche, halten wir Ausschau nach weiteren Attraktionen, die uns zum Einsteigen verleiten. Dabei entdecken wir eine Log Flume, die spontan mitgenommen wird. Bereits im Bahnhof steigen uns interessante Düfte vom Wasserkanal in die Nase, sodass wir immer weniger Lust auf den Splashdown bekommen. Glücklicherweise ist die Wildwasserbahn jedoch trockener als der Inverter um die Ecke, insgesamt aber dennoch eine eher enttäuschende Attraktion. Noch trockener geht es auf einer Raftinganglage zu, welche die Besucher mit falschen Versprechungen vom kühlen Nass bis ins letzte Loch des Parks lockt. Aufgrund der eher unkonventionellen Abfertigung von drei Booten parallel, welche dafür still stehen müssen, und der katastrophalen Kapazität der Anlage, verharren wir auch hier eine ganze Weile. Es sind Momente wie diese, in denen mir der Walygator Parc absolut zum Hals heraushängt und ich am liebsten die Beine in die Hand nehmen und weglaufen würde.
Aber natürlich finden wir in solch schwierigen Zeiten Trost beim Monster – und zwar en masse, wie man in Frankreich so schön sagt. In den Abendstunden stärken wir uns nochmals mit etwas Festem zwischen den Zähnen und hoffen, dass die Cola für die Fahrt bis nach Mannheim ausreichend wach hält. Wäre ich allerdings nicht Feuer und Flamme mit der Idee, Monster bei Nacht zu fahren (ein desorientierendes Erlebnis mit gratis Proteinen), säßen wir schon längst im Auto auf dem Weg nach Deutschland. Es gibt nur wenige schöne Orte im Park, die zum Verweilen einladen. Die Thematisierung ist sporadisch angesiedelt und wirkt beinahe, als hätte man sie zufällig auf den Park gestreut. Interessante Flatrides wie der Freefall oder Topple-Tower sind vollständig außer Betrieb … das Gesamtbild trägt viele Risse.
Doch mit abnehmendem Sonnenstand sieht man von diesen immer weniger und so entdecken wir gegen Ende unseres Besuchs noch ein wahres Highlight: die Kinderflume! Vor allem mit der richtigen Beladung (zu zweit hinten) ragt das Boot beim Drop sehr weit nach vorne in die Luft, bevor es mit einem Schlag nach unten wegklappt. Das Erlebnis ist fast nicht einzuordnen, für unser Nervenkostüm dann allerdings doch zu viel. Aus diesem Grund wenden wir uns dann doch lieber dem Inverter zu.
Und er will nicht toppeln
Hätte mich schon gereizt
Schlechtes Rafting mit schönen Einblicken
Ich will mit dir gehen!
Überdachte Mainstreet
Durchdachte Mainstreet
Nicht gefahren, aber ein schöner Anblick
Stoner-Zug!
Das Riesenrad leuchtet bei Nacht
Ich auch: Manuelles Abhaken der Coaster auf der selbsterstellten Countliste – das waren blonde Zeiten!
Schöner Tag auf dem Schrottplatz. Jeder, dem ich von unserem Besuch im Walygator Parc erzählt habe, hat irgendwann diesen Satz gehört: „Ach, das war herrlich. Der Park ist eigentlich absoluter Rotz, aber wir hatten richtig Spaß.“ Und so verlassen wir den Walygator Parc mit durchweg gemischten Gefühlen. Oder vielmehr mit einer Menge negativer Eindrücke auf der einen Seite, gegen die eine verwahrloste Spaßmaschine ohnegleichen auf der anderen Seite kaum ankommen mag. Zumindest auf dem Papier steht es schlecht um den Walygator Parc.
Doch was zählt das schon, ehrlich? „Als Patrick nach Frankreich fuhr, um Achterbahn zu fahren …“ ist eine der schönsten Geschichten, die ich im Jahr 2012 geschrieben habe. Coastern bis in die Nacht, absolut spannende Achterbahnerlebnisse (man vergesse nicht den El Loco, welchen wir am gleichen Tag getestet haben) und die richtige Kombination aus Trash und der Haltung „Wir lachen einfach mal drüber“ sorgen insgesamt für viele tolle Erinnerungen an Les Metz. „So ähnlich muss das dann im Bericht stehen.“, bilanziere ich den Tag, während wir an bereits abgesperrten Toiletten vorbei gen Ausgang trotten. Vielleicht bin ich doch zu nachsichtig mit dem Walygator Parc …
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