Von Le Markstein aus hatten wir nun satte 155 km vor uns, bevor wir das letzte große Highlight des 17. Mais und eigentlichen Grund für die gesamte Tour erreichen sollten. Knapp 2 Stunden und 45 Minuten waren dafür eingeplant - plus Tankstopp noch vor der Grenze. Überraschenderweise war ich an diesem Tag sehr sparsam unterwegs (kaum Autobahn macht's möglich), sodass der Tank gerade erst halb leer war. Das würde auch noch bis zu unserer Rückkehr nach Deutschland locker reichen, und so beschloss ich, gleich durchzufahren.
An der Grenze waren wir dann aber doch ein wenig perplex, als wir nach der kurzen Kontrolle doch eine Vignette kaufen mussten, obwohl ich im Navi ganz klar eingegeben hatte, dass Mautstraßen vermieden werden sollten. Aber die nächste Abfahrt, wie es das Navi vorgesehen hatte, war offenbar schon eine zu spät...
Nunja, sei es drum. Nen Fuffi ärmer konnten wir also doch auf der Autobahn bleiben, womit sich die Fahrzeit immerhin fast um eine halbe Stunde reduzierte. So erreichten wir gegen 16:20 Uhr schon die 1700-Seelen-Gemeinde Ersigen in der Region Emmental. Der Zeitplan war somit um ganze anderthalb Stunden geschlagen. Aber das sollte sich schneller wieder ändern, als wir gedacht hatten...
Am A.d.W. - pardon, auf einem Hügel am Ortsrand - wurde provisorisch ein kleiner Parkplatz eingerichtet.
Wie alle Autos hatte auch die Ente ein schweizer Nummernschild.
Bis zur Rodelbahn sind es dann noch einige Meter Fußweg.
Die dorfeigene Werkstatt als einer der Sponsoren stellt auch ein Fahrzeug für Besorgungen zur Verfügung.
Die extra errichtete Hütte beinhaltet neben der Kasse auch einen kleinen Imbiss.
Und da ist auch endlich das Objekt der Begierde. Ganz schön was los.
Während Caruso die Tickets zu je 4,50 sFr besorgte, ging ich mal eben für kleine Rodler.
Auch hier hatten wir uns gleich zwei Fahrten gesichert.
Statt direkt anzustehen, muss man hier Nummern ziehen. Quasi die analoge Version des Fastpasses.
Somit hatten wir nun jede Menge Zeit, die Aussicht zu genießen. Denn der Zähler stand erst bei um die 70, wenn ich mich recht entsinne...
Da kann man sich dann auch mal den eigenwilligen, beweglich gelagerten, Antrieb anschauen.
Inklusive Kraftmesser.
Von der Rodelbahn selbst ist von dort oben gar nicht so viel zu sehen.
Bis dann irgendwo am Horizont ein Schlitten vorbeirast.
Ein erster Blick auf das Fahrwerk der Schlitten.
Auch Tandems waren häufig unterwegs. Dabei bestimmt der hintere Rodler das Tempo.
Nach fast einer halben Stunde war es dann endlich soweit.
Nochmal ein Blick unter den Schlitten.
Ein letztes Tandem.
Dann konnte Caruso mit der Nummer 109 nach gut 20 Minuten endlich Platz nehmen. Dachten wir jedenfalls...
Der Operator bat ihn dann doch wieder auszusteigen, denn jetzt wäre erst die 009 an der Reihe. Also weitere 100 Nummern warten...
Zum Glück werden auch viele Nummern einfach übersprungen, weil sich die Kinder aus dem Dorf schon im Vorfeld eingedeckt haben, dann aber entweder noch auf ihrer vorherigen Fahrt sind oder einfach nicht auftauchen.
Als wir uns dann schonmal eine Nummer für die zweite Fahrt holen wollten, hieß es allerdings, dass es keine mehr gäbe. Bis 125 seien noch Nummern vergeben, danach müsse man sich ganz normal anstellen.
Stattdessen gingen wir also nochmal zurück zum Auto, um etwas zu essen. Denn während die Fahrt mit der Rodelbahn noch vergleichsweise günstig ist, sind die Preise fürs Essen doch relativ hoch.
Das Info-Schild gab es offensichtlich als Bonus zur Bahn dazu.
Leider hatten wir kein Maßband dabei, um zu überprüfen, ob es auch wirklich genau 750 Meter sind.
Jedenfalls hatte man noch einige Teile übrig, die nun gleich nebenan lagern.
Hoffentlich findet die Bahn nach diesem kurzen Gastspiel noch einen Käufer...
... der dann auch die restlichen Meter verbauen kann.
Nach über anderthalb Stunden begaben wir uns dann für den zweiten Versuch langsam wieder Richtung Einstieg.
Für stärkere Biegungen im Stationsbereich ist die Schiene an den Seiten leicht eingeschnitten.
Voller Sehnsucht, endlich einstiegen zu können, zählten wir schonmal die Schlitten. Sind ja (fast) der Reihe nach durchnummeriert von 1 bis 9.
Die Steuerung (für den Lift nehme ich an) stammt offenbar von Sunkid.
Und dann war es endlich wirklich soweit. Die Ehre, als mutmaßlich erster Onrider überhaupt (und möglicherweise sogar als erster Deutscher) die Rodelbahn Ersigen zu bezwingen, überließ ich Caruso. Dafür war ich dann der erste, der die Bahn im Coaster Count gezählt hat.
Schon direkt nach der Station geht es mit nettem Tempo durch eine weite Linkskurve.
Es folgt eine schon von außen recht hakelig aussehende Rechtskurve, bevor es ein Stück geradeaus geht.
Nach einer Linkskehre geht es wieder zurück und man nähert sich mit immer rasanterem Tempo dem ersten Highlight der Fahrt.
Nach einer langen Beschleunigungsgeraden samt kleinem Knick geht es nämlich ordentlich abwärts.
Liebe Jungs von Wiegand: DAS ist ein Jump. Man rast darauf zu und sieht nur, wie die Schiene im Nichts verschwindet. Und dann reißt es einem den Schlitten unterm Hintern weg. Zum Glück ist man angeschnallt, sodass der Körper - wenn auch mit leichter Verzögerung - dieser Bewegung folgen muss. Ansonsten würde man wohl erst einige Meter weiter auf dem Lifthill wieder runterkommen...
Was mich dann aber wirklich umgehauen hat, war die direkt anschließende Kurve. Noch halb im Flug zieht es den Schlitten nämlich schon nach rechts weg und man muss schon aufpassen, dass man dabei nicht vollständig die Haltung verliert. Dass die Schlitten dabei relativ viel Spiel haben und ständig Hin und Her schlackern, macht die Sache nicht gerade leichter.
Die schon angesprochene Kurve führt ziemlich steil zwischen einigen Bäumen auf der ansonsten recht freien Wiese hindurch.
Ein paar Slalomkurven später folgt ein weiterer Jump. Ebenso heftig wie der erste.
Und wer es dann schafft, das anschließende Geschlängel mit Vollgas zu durchfahren, der verdient meinen vollen Respekt.
Ich wurde jedenfalls so sehr Hin und Her geschleudert, dass es unmöglich war, den Hebel nach Vorne gedrückt zu halten.
Schon die Kleinsten helfen mit, um den Bremshebel für die Liftauffahrt zu blockieren.
Obwohl immer nur ein Schlitten auf der Strecke unterwegs sein darf, stauen sich dort unten schonmal die Schlitten, bevor es wieder nach oben geht.
Mit freundlichem Empfang geht es dann zum Ausstieg. Und wir müssen erstmal verarbeiten, was wir gerade erlebt hatten.
Eine wahnsinnig knackige Fahrt. Das Layout wirkt auf den ersten Blick nicht unbedingt extrem spannend. Und in Wiegand-Ausführung wäre es das wahrscheinlich auch nicht. Aber das ist es ja zum Glück eben nicht. Alleine das Zusammenspiel von wackligen Schlitten und fehlendem
Banking macht die Fahrt zu etwas ganz besonderem. Man braucht schon ein bisschen Übung, wenn man sich bei Vollgas auf dem Schlitten halten möchte. So fanden sich meine Füße bei der ersten Fahrt nach dem zweiten Jump plötzlich neben dem Schlitten wieder...
Dass es offenbar nicht einmal eine Fliehkraftbremse gibt, bringt einen weiteren dicken Pluspunkt. Stellenweise ist die Strecke wirklich recht steil, sodass die Geschwindigkeit von Anfang bis Ende schön hoch ist.
Gleich im Anschluss wollten wir uns dann für die zweite Fahrt anstellen.
Entgegen der ursprünglichen Aussage wurde aber auch weiterhin nach Nummern aufgerufen. Und tatsächlich, in der Zwischenzeit hatte man eine neue Rolle aufgehängt. Also zogen auch wir eine neue Nummer und warteten darauf, für die zweite Fahrt aufgerufen zu werden. Das ging zum Glück deutlich schneller als bei der ersten Fahrt, und so fuhr ich dieses Mal voraus. Zwar nochmal etwas schneller als beim ersten Versuch, aber gänzlich ohne Bremse kam ich einfach nicht unten an.
Vorm Lift wartend kam es dann zu einem kurzen Gespräch mit der dort arbeitenden Dame. Meine DB-Jacke ließ ja recht schnell erkennen, dass wir nicht aus der Gegend kamen. So durfte ich dann kurz erklären, dass wir extra aus Deutschland angereist waren, um ein paar Rodelbahnen zu fahren. Im Gegenzug erfuhr ich, dass ihr Vater einer der Initiatoren des Projekts war. Kurz unterbrochen wurden wir von Carusos Freudenschreien, als er gerade durch den Slalom-Teil am Ende geschleudert wurde. Von außen sah das wirklich extrem heftig aus.
Trotz des offensichtlich großen Erfolgs der Rodelbahn wurde ein Weiterbetrieb aber definitiv ausgeschlossen. Zum Einen, weil nach spätestens 2-3 Jahren alle die Bahn zu genüge gefahren sind und der Ansturm deutlich zurück gehen würde, zum Anderen, weil die Auflagen für den Betrieb wohl extrem hoch (und teuer) sind. Als einmalige Sache für das Dorfjubiläum sei das noch machbar gewesen, aber auf Dauer wäre es wohl unmöglich, das zu finanzieren. Entsprechend soll die Bahn wohl ins Ausland verkauft werden (es war aber nicht direkt herauszuhören, ob das nur der Plan ist, oder ob bereits ein Käufer im Ausland gefunden wurde).
Noch einmal ging es mit dem Lift nach oben.
Und nach zweieinhalb Stunden hatten wir es dann endlich geschafft.
Das Lächeln spricht glaube ich für sich.
So ging es dann doch wieder eine halbe Stunde hinter dem eigentlichen Plan in Richtung Heimat. Ohne den Tankstopp auf der über 300 Kilometer langen Strecke hätten wir die aber dank Vignette auch schnell wieder reingefahren. Mit anderen Worten: Meine Zeitplanung war mal wieder nahezu perfekt - wenn man davon absieht, dass der erste Alpine Coaster noch geschlossen war.
Fazit: Leider kann ich keinen Vergleich zur originalen Toboroule ziehen. Aber wer die Möglichkeit hat, in diesem Jahr nach Ersigen zu kommen, der sollte die einmalige Gelegenheit auf jeden Fall nutzen. Es lohnt sich definitiv, auch bei einer längeren Anfahrt.