Nach meinem Besuch in den Elitch Gardens ging es wie erwähnt erst einmal zurück ins Hotel, um ein kurzes Nickerchen zu halten und um die Kamera etwas aufzuladen. Daraufhin fuhr ich wieder in Richtung Innenstadt und dann in den Westen von Denver, wo der Lakeside Amusement Park liegt. Die schon seit Eröffnung der Elitch Gardens über der Stadt hängenden Wolken wandelten sich präzise während meiner Anfahrt dann zu einem Gewitter um, so dass ich vor Ort erst einmal die Cyclone und den berühmten Parkeingang von aussen fotografierte und hierauf noch kurz an die Colfax Avenue runterfuhr, um das mexikanische Erlebnisrestaurant
Casa Bonita einmal live zu sehen und abzulichten - als jahrelanger Fan von South Park war ich das einem Studien- und Hobbykollegen unbedingt schuldig, auch in Reminiszenz an die mit Abstand lustigste Montage- und Wutausbruchsequenz in der Seriengeschichte.
Wieder zurück am Lakeside Amusement Park hatte sich der Regen dann verzogen und die meisten Bahnen schienen ihren Betrieb wieder aufgenommen zu haben. Beim Einsteuern auf den Parkplatz (wobei "Platz" hier eher schon zuviel gesagt ist
) werden 3$ Eintritts-/Parkgebühr fällig, die man mit Quittung aber auch beim Kauf eines Wristbands oder von Einzeltickets für die Rides teilweise anrechnen lassen kann. Da sich das Wetter nicht wirklich gebessert hatte, zog ich es vor, erst einmal nur Einzeltickets für die beiden mich interessierenden Coaster zu erwerben - und ein Ticket im Wert von 50¢ wurde mir damit geschenkt. Nicht schlecht!
Die kleine Zahlbude am Karussell war an diesem Tag übrigens der einzige Ort, an dem Wristbands und Tickets gekauft werden konnten - bei etwas schönerem Wetter und mehr Betrieb gibt es aber auch noch zahlreiche weitere Anlaufstellen hierfür auf dem Parkgelände.
Hat man selbiges erst einmal betreten fühlt man sich von der generellen Atmosphäre und Aufmachung her betrachtet unweigerlich nach Knoebels zurückversetzt - nur dass das leicht Trashige hier stellenweise nicht mehr nur charmant ist.
Enough said.
Teilweise wirkte der Park irgendwie so desolat, dass ich mich nur ganz unauffällig getraute, überhaupt Fotos zu machen - in diesem Falle beispielsweise erst, als die auf Kundschaft wartende junge Dame am Spiegellabyrinth kurz wegguckte und mich nicht knipsen sah.
Wie man sieht, findet man durchaus einige landschaftlich durchaus etwas zurechtgemachte Ecken, die zum Picknicken und Verweilen einladen sollen. Allerdings kann man sich vortrefflich darüber streiten, ob man damit jetzt voll ins Schwarze getroffen hat. Die Rides stehen mehrheitlich knapp umzäunt einfach nackt und rostend in der Gegend rum. Das schon in
Brunos Bericht erwähnte stillstehende Riesenrad gibt es immer noch. Zweimal hab ich beobachtet, wie wohl direkt vom Pfingstgottesdienst hergekommene Latino-Papis im Sonntagsgewand bei einem unachtsamen Tritt zentimeterdicke Kies- und Schlammschichten auf ihren hübschen Schuhen und Anzugshosen hatten.
Elektrik hing teilweise beängstigend ungeschützt an allen möglichen Stellen und Ecken irgendwie raus. Sämtliche Belüftungsschlitze an Gebäuden und Buden hatten recht gruselig aussehende Schimmelbächlein unter sich gebildet. Überhaupt täten dem ganzen Gelände ein Aufräumkommando und ein paar Farbeimer gut... Und auch wenn es im Amiland durchaus Freizeitparks gibt, die mit so einer Appearance doch eine Art Charme herzaubern können - siehe Knoebels oder auch Indiana Beach -, der Lakeside Amusement Park hat das zumindest an diesem Nachmittag bei mir persönlich dann doch nicht geschafft. Mag sein, dass durch den vorherrschenden Regen zusätzlich alles noch siffiger, dreckiger, dunkler und trostloser wirkte - aber so richtig wohl gefühlt hab ich mich hier echt nicht. Da konnten auch die zweifellos mit nostalgischer Anmut glänzenden alten Ride-Perlen nicht mehr viel ausmachen.
Die zweite Erinnerung an Worlds of Fun an diesem Tag - das auf der Park-Website gar nicht verzeichnete Schiffchen-Karussell.
Hier sieht man den dem Park seinen Namen verpassenden Lake Rhoda und den parkeigenen Zug, der da einmal rundherum fährt.
Jetzt aber endlich auf zu dem, wozu ich ja eigentlich hergekommen bin! Nun stand eine Fahrt auf dem seit 1940 bestehenden bei meinem Besuch damit 75 Jahre und eine Woche alt gewordenen Klassiker Cyclone an!
Schon die uralte Station mit ihrer ikonischen Leuchtschrift und natürlich auch die Züge lassen einen direkt in längst vergangene Zeiten reisen. Eine Fahrt kostet sechs Tickets, was bei einem Einzelpreis von 50¢ für ein solches 3$ entspricht. Nice!
Während der kurzen Wartezeit lässt sich schon einmal die schicke Metallplakette am Stationsgeländer bestaunen und auch der Betrieb wird natürlich beobachtet. Gates an der Einsteigeplattform gibt es nicht und die Station ist in einen Ein- und einen Aussteigebereich unterteilt, wo der Zug ähnlich wie bei Waldameers Comet noch per Handbremse gestoppt wird, sobald der Zug zur gewünschten Stelle vorgerollt ist. Die Chaisen in den Zügen sind gut gepolstert und man stellt gewisse Ähnlichkeiten mit Kennywoods Jack Rabbit fest: es gibt eine fixe Haltestange, unter die man sich einfädeln muss, ausserdem werden die Fahrgäste durch einen gemeinsamen Gurt gesichert. Allerdings war dieser zumindest auf meinem Sitz (letzte Reihe, bien sûr
) nicht ein wie in Brunos Bericht beschriebener Einhak-Ösen-Gurt, sondern ein normales Klickmodell. Leider vermag ich nicht zu beurteilen, ob das nur in der letzten Reihe oder auf allen Sitzen so war.
Nach lauten und stimmungsmachenden "Are you guys ready?!"-Rufen durch die Ride-OPs wird die Bremse umgekippt und der Zug verschwindet im fast stockdunklen und leicht muffigen Anfangstunnel. Nach dessen Ende folgt dann der klapperige Lifthill, der einen auf die Starthöhe von etwa 24 Metern bringt. Erste Blicke auf das erst jetzt richtig einsehbare Layout lassen besonders einige jüngere Fahrgäste ob der oldschooligen Bügel erfreaken und ab gehts über den gekurvten und sensationell schönen
First Drop! Das Woodie-Klassiker-Fahrfeeling hat einen wieder - was für ein unfassbarer Plausch!
Es folgen eine bodennahe Kurve, gleich danach ein Aufstieg, eine 180°-Kurve, ein anschliessender Drop, der wieder auf Bodenniveau führt und danach eine volle 360°-Kehre auf der sich hohe und tiefe Stellen abwechseln. Und spätestens jetzt wird den links im Zug sitzenden Passagieren langsam begreiflich, dass sie die Arschkarte gezogen haben: nicht nur die hochgelagerte Kurve, sondern der
gesamte Streckenabschnitt ab hier ist nach links geneigt! Besonders im Tal nach der Kehrtwende kriegt man dies als Single Rider wie ich durch einen richtig derben Linksrutsch auf die bautechnisch ja
offene Zugseite hin oder zu zweit natürlich durch fast schon erschreckend brutales Quetschen vom rechts neben einem sitzenden Kumpanen zu spüren! Sitzbanktrenner - moderne Auswüchse, die hier nichts zu suchen haben! Astrein!
Nach diesem Part folgt im Prinzip ein kleines Out & Back-Layout entlang der einen Seeseite. Und in dessen ersten Teil, der im Wesentlichen eine leichte Linkskurve ausführen muss, um den
Turnaround zu erreichen, bleibt die Linksneigung fast durchgehend bestehen! In den Tälern und auf zwei Hügelkuppen kommt zu wunderbarer
Airtime und leckerem Muldendruck also auch noch konstantes Linksrutschen dazu! Ich kann gar nicht beschreiben, was für einen Lachflash das im ganzen Zug auslöst - einfach grandios und sowas von abgefahren! Hier bemerkte ich, dass die möchtegern-gängströsen vor mir Mitfahrenden ständig zu mir nach hinten schauen, dachte mir aber noch nichts dabei. Der herzlich wenig gebankten Kurve am Kehrpunkt des Layouts mit - you guessed it - noch mehr Linksdruck schliessen sich einige wunderbare und vergleichsweise gerade ausgeführte Bunnyhops auf dem Rückweg zur Station an, die ein
Airtime-Festival bieten, das mit diesem Festbügel und den Gurten natürlich ein ganz besonders eindrückliches Erlebnis ist - mei, wie schee!
Bald ist dann die Schlussbremse erreicht und nach finaler, rappeliger und übertunnelter Umkehr zur Station zurück stelle ich fest, dass der Junge vor mir vormals wohl eine Baseballmütze besessen hat, die im Zuge der Cyclone nun sprichwörtlich weggeweht wurde. Der Ride-OP meinte dazu auf Ansprache beim Aussteigen: "Told ya." Und dass sie den Bahnenbetrieb jetzt sicher nicht deswegen unterbrechen werden, man wolle die trockene Wetterlage noch ausnutzen, solange es noch geht. Geile Siech, würde man hier gut schweizerisch sagen.
Die Cyclone - an oldie but a goldie! Was kann man Böses über eine 75 Jahre alte Dame schreiben, die mit ihrer nostalgischen Station, genialen Retro-Zügen mit luftigen Sicherungen, kranken Linksneigungen, passgenauem Woodie-Fahrfeeling, wunderbarer
Airtime, günstigem Eintritt und einem wirklich tollen Layout auch nach so langer Zeit einen solchen Sturm der Begeisterung auslösen kann? Nichts! Auch wenn der Hut-Loser vor mir da vielleicht etwas andere Ansichten hat.
Ein absoluter Goldschatz, den es wann immer möglich unbedingt noch zu fahren und so lange wie möglich zu erhalten gilt. Alleine dafür lohnt sich schon der Abstecher in die leicht siffige Location im Westen Denvers. Top!
Nun war es an der Zeit, die restlichen Tickets noch bei der zweiten Bahnen-Rarität des Parks loszuwerden: auf dem Wild Chipmunk, einem Miler-Mäuschen aus dem Jahr 1955.
Schon beim Betreten der Station, bei der Abgabe der vier Tickets beim Ride-OP und beim blossen Anblick der irgendwie klapperigen Konstruktion wird einem irgendwie mulmig. Doch es gibt kein Zurück mehr: die Stationsaufseher instruieren einen mündlich über die Regeln und die korrekte Sitzhaltung, dann wird eines der badewännchenähnlichen Fahrzeuge bestiegen. Sicherheitsgurte oder -bügel gibt es keine, aber die Chaise ist zu beiden Seiten so dick gepolstert, dass man schon fast wieder von zwei Kissenbügeln über den Schenkeln sprechen könnte.
Das Wännchen setzt sich in Bewegung und nach einer ersten Kurve erklimmt man den Lifthill. Oben angekommen klinkt man sich aus der Kette und kriegt gleich den ersten Herzkasper verpasst. Schon das erste kleine Kürvchen prügelt einen so dermassen fest auf die Seite, dass man sich mitsamt Wännchen schon in die Cyclone fallen sieht. Und fassungslos fragt man sich, worauf
zum Teufel man sich da eigentlich eingelassen hat?! Wie bei anderen Mäusen auch besteht der gesamte obere Layoutteil aus solch engen Kurven - und in diesen Gefährten und in dieser bizarren Sitzposition kommt einem wirklich jede einzelne krasser, tödlicher und einfahrender vor als auf allen Mäusen sämtlicher Achterbahnfabrikanten zusammen! Obwohl die Gesamthöhe ja lediglich 12.5 Meter beträgt habe ich glaube ich noch
nie auf irgendeiner anderen Bahn solchen Schiss vorm Rauskippen und Runterfallen gehabt! So komplett ohne Bügel durchlebt man hier einen unbeschreiblichen Nervenkrimi! Affengeil, ey!
Der Zickzack-Part ist überstanden, jetzt folgen nach kleinem Dip aus der torturhaften Seitenlage die "grossen" Schussfahrten - und da ist mir doch wahrhaftig auf jeder einzelnen ein höchst amerikanisches "Oh my GOD!!!" entfahren.
Bis zu fünf Zentimeter hebt der Hintern hier ab, so dass Kamera und Autoschlüssel in den Cargo-Taschen schon mit den wuchtigen Seitenpolstern in Berührung kommen! Jetzt war einfach nur noch "Hold on for dear life" angesagt. Runter, hoch, Todeskehr wo man sich schon in Cyclones Stützen kleben sieht, linksgeneigte Gerade wie bei der Nachbarin, noch eine Traumakurve und runter! Unfassbar, wenn zu den ohnehin schon krassen seitlichen Gs auch noch
Airtime dazukommt - da ist man mit den Knien schon fast unter den sich krampfhaft angestrengt festkrallenden Armen!
Runter, aus dem Sitz fliegen, wieder runter, nochmals hoch und erneutes zweimaliges Durchleben der
G-Todeskombi über der Station, danach nochmals runter und hinauf und - Holy crap!!! - jetzt findet das Ganze noch einmal
unter der vorangehenden Strecke mit
extrem wenig Platz für den Kopf statt. Erneut: "Auf was habe ich mich hier bloss eingelassen?!!!" Doch richtig Zeit zum Sinnieren bleibt gar nicht - die linksgeneigte Gerade geht in sowas wie eine Bayernkurve und diese dann in eine schlicht nur noch bekloppte Abwärtshelix über, die vor lauter
G-Kräften sogar diejenige der Euro-Mir in den Schatten stellt. Und mit einem letzten Satz wird man daraufhin endlich von der Schlussbremse aufgefangen.
Meine Fresse, was war
das denn bitteschön?! Wild Chipmunk ist ein mit Worten nicht mehr zu beschreibendes Nervenkitzel-Erlebnis an der Schwelle zur Todesangst! Und damit genau so, wie es sein sollte!
Wie ist das in so einem krass auf Sicherheitsvorschriften bedachten Land wie den USA überhaupt zugelassen?! Find ich nämlich extremst dufte, dass es so ist!
Einfach nur abgefahren, der absolute Oberhammer, vollkommen gestört und richtig, richtig, richtig geil! Ich bin danach fast nicht mehr klargekommen - was für eine Trouvaille! Unglaublich, wie mich dieses kleine Kuriosum mehr geschockt und geflasht hat als alle Elitch-Bahnen zusammen. Und man höre und staune: eines der ganz grossen Highlights der Reise! Bitte, bitte, bitte pflegt dieses Goldstück etwas besser als den Rest des Parks - es soll noch so lange wie nur irgend möglich die Kinder unterhalten, die noch zu jung sind um Angst zu kennen oder furchtlose irre Coasterfreaks! Yowsa-yowsa!
Nach meinen zwei Fahrten und einer ausgiebigen Fotorunde fing es wieder an zu regnen. Und ein Blick gegen Westen auf die Rockies verriet, dass es wohl auch den ganzen Abend noch so bleiben würde. Ich beschloss, erst einmal zu Takeout von Outback ins Hotel zurück zu kehren und bei besserer Wetterlage dann allenfalls noch einen abendlichen Besuch bei schöner Beleuchtung in Betracht zu ziehen - daraus wurde dann aber leider nichts mehr, es hat die ganze Nacht geregnet.
Daher nun also das Fazit zum Lakeside Amusement Park: Das Wetter war bei meinem Besuch zwar wirklich nicht das beste, aber leider macht das Gelände auch unter Berücksichtigung dessen einen leicht heruntergekommenen Eindruck. Und leider eben in der Manier, dass man nicht mehr von "trashy chic" sprechen kann.
Allerdings findet man hier mit Cyclone und Wild Chipmunk wahrlich zwei Coaster-Perlen, die auch der thematisierungs- und pflegebedachteste Achterbahnenthusiast nicht einfach ignorieren kann. Angesichts der Tatsache, dass der Spass in der Minimalausführung - Park-/Eintrittsgebühr und je einmal Cyclone und Wild Chipmunk - ganze 7.50$ gekostet hat, kann man sowieso nicht gross meckern. Sollte ich es wieder einmal nach Denver schaffen, werde ich auf jeden Fall wieder herfinden - dann hoffentlich in den sicherlich etwas charmeanreichernden Abendstunden und bei besserer Witterung.
Der nächste Bericht folgt dann trotz unguten Wetteraussichten aus dem Mega-Wasserpark Water World Colorado. Bis dahin: besten Dank fürs Lesen!
"Sometimes your shallowness is so thorough it's almost like depth."