Direkt nach meinem Besuch in
Waldameer fuhr ich wie beschrieben eine gute Dreiviertelstunde nach Südwesten und bin dabei in einer Gegend gelandet, wo man einen Freizeitpark nicht einmal vermuten würde. Etwas verdutzt darüber, dass ich die Ortschaft Conneaut Lake schon komplett durchfahren hatte, lenkte mich das Navi daraufhin zielsicher auf die 618, die mich entlang des Westufers vom gleichnamigen See schliesslich doch an die richtige Adresse und damit zum Eingang des Conneaut Lake Parks brachte.
Auf dem Wiesenstellplatz zur linken Seite standen vielleicht 15 Fahrzeuge oder so, zu denen ich den guten Ford erst einmal gesellte. Ausser dem oben abgebildeten Schild, das eine Öffnung am heutigen Samstag bekräftigte und damit die Angaben der offiziellen Website bestätigte, waren weit und breit keine Anzeichen von Parkbetrieb oder Kundschaft zu sehen. Für einen Samstagnachmittag bei bestem Frühsommerwetter war es geradezu beängstigend still hier.
Dennoch überquerte ich die Strasse und las auf den Schildern an den verlotterten und verlassenen Eingangsbuden, dass Ride-Tickets und Wristbands im Park
drin zu kaufen sind.
Und tatsächlich sah ich kurz darauf dann einen anderen Menschen ausser mir! Schon reichlich gruselig, dass ein Freizeitpark an einem Samstagnachmittag so leer und tot wirken kann. So kann dieser ohnehin schon schwer mitgenommene Park doch nicht gesunden, war mein erster Gedanke.
Aber wahrhaftig: beim Paratrooper waren zwei Kunden und ein Ride-OP zu sehen, der diesen und die umliegenden Attraktionen wohl alternierend betreibt.
Je weiter man auf dem leergefegten Midway voranschritt, desto mehr vereinzelte Gleichgesinnte konnte man auch ausmachen.
Zu meiner Rechten hab ich aus dem tiefen Dickicht raushören können, dass mein Hauptbesuchsgrund und Objekt der Begierde, der uralte Woodie-Klassiker Blue Streak, wohl tatsächlich in Betrieb war. Das, oder ein Freilicht-Kegelturnier fand gerade statt, denn so in etwa hat es geklungen.
Am Ende des trostlosen Hauptweges war dann nicht nur die Station des Blue Streak erreicht, sondern auch ein vereinsamtes Mini-Büdchen, wo die Wristbands gekauft werden können. Und ganz ehrlich: völlig egal, dass mir da Menschen ins Bild davon gelatscht sind, denn so gewinnt es wenigstens an Authentizität in dieser wie eine Geisterstadt wirkenden Vergnügungsstätte.
Das Tages-Wristband ist für lächerliche 10$ zu haben und beinhaltet Zugang zu
sämtlichen Attraktionen im Park, auch zu denen im kleinen Wasserpark-Teil. Da kann man weiss Gott nicht meckern.
So ausgestattet konnte mich nun nichts mehr davon abhalten, mich den wenigen anderen Fahrinteressenten beim Blue Streak anzuschliessen!
Einer der Originalzüge aus dem Eröffnungsjahr 1938 steht auf dem Abstellgleis und ist allem Anschein nach schon länger nicht mehr zum Einsatz gekommen. RCDB nach wurde dieses Modell offenbar von PTC gefertigt, aber da muss einen auch erstmal jemand drauf aufmerksam machen.
Mit den heute bekannten PTCs hat dieser Zug hier gerade einmal das Vierer-Arrangement gemeinsam - im Gegenteil erinnert er mit seinen feststehenden Haltestangen ein wenig an denjenigen auf Kennywoods Jack Rabbit und die "Gitterfronten" scheinen sich
Gerstlauer für ihre Woodie-Züge und
GCI für die Millennium Flyer abgeschaut zu haben.
Tatsächlich im Einsatz war dann jedoch ein
Century Flyer von National Amusement Devices, den meisten Onridern wahrscheinlich vom grossen und dem kleinen Dipper im Camden Park her bekannt. Oder auch von - um in Pennsylvania zu bleiben - Thunderbolt in Kennywood. Hier beim Blue Streak jedenfalls fährt diese nur einseitig besteigbare Blechbüchse etwa seit den 60ern, wo mindestens einer von zwei oben beschriebenen Prä-PTC-Zügen damit ersetzt wurde. RCDB nach kam ein restaurierter eben solcher zwar zwischen 2002 und 2006 wieder kurzzeitig zum Einsatz, seit der letztmaligen Wiedereröffnung von Park und Bahn im Jahr 2010 ist man offensichtlich wieder zu den Century Flyern zurück gekehrt.
Durch die nur auf einer Zugseite vorhandene Zusteigelücke muss die Station fast zwangsläufig in einen Aus- und Einsteigebereich unterteilt werden. Gilt natürlich nur für die Passagiere - die Ride-OPs liessen es sich selbstredend nicht nehmen, sich vom rollenden Zug von der Aus- zur Einsteigeplattform kutschieren zu lassen und dabei noch irgendwas an den Sitzen zu werkeln.
Wie man sieht wurde mein Bestreben, nach Möglichkeit stets im Mittelsitz von Sechserwaggons Platz zu nehmen, beim vordersten Wagen schlicht durch einen fehlenden Bügel verunmöglicht.
So erfolgten zwei Fahrten also in der Mittelreihe des letzten Wagens, eine ebenda im mittleren Waggon und je eine, wo es mir im vordersten Wagen überhaupt möglich war: Frontrow und Reihe 3. Die Sicherung erfolgt mit vortrefflich horizontal klappenden Buzzbars und schon geht es auch los, durch den cyclonesken S-Kurven-Tunnel auf den Lifthill zu.
Ich kann Anitas und Brunos Beobachtungen im
Tourtagebuch-Eintrag von ihrem damaligen Besuch nur unterstreichen: begutachtet man das alte Klappergerüst vom Midway aus würde man von da her so durch die Vegetation blickend
niemals einen solchen Lifthill und
First Drop bei der Bahn erwarten!
Obgleich "nur" knapp 24 Meter hoch ist die Erstkonfrontation mit dem verstörend verbogenen Kettenzug auf irgendeine ganz kuriose Weise überwältigend, weil man überhaupt nicht mit etwas in dem Ausmasse gerechnet hat - sehr, sehr schwer zu beschreiben!
Darüber hinaus auf merkwürdige Art gleichzeitig erfrischend und einschüchternd einzigartig: nur zur offenen Zugseite der Century Flyer - in Fahrtrichtung blickend also rechts - ist der Lift hier mit Catwalk und Geländer ausgestattet, weil, naja, man im Zweifelsfalle ja auch nur dort raus könnte. Das hab ich tatsächlich noch auf keinem anderen Woodie-Lifthill so angetroffen. Zusammen mit den wahrlich mulmig machenden Dehnbewegungen der Züge entsteht auch im Rahmen der allgemeinen knorrigen Natur der ganzen Konstruktion bereits
vor dem Absolvieren des First Drops ein bislang ungekannter dramaturgischer Spannungsaufbau - so wie es eigentlich eben auch sein sollte, nur irgendwie furchteinflössender, weil eben antik, komisch und wackelig.
Dieses Video wird direkt von youtube.com abgespielt. onride.de übernimmt keine Haftung für die dargestellten Inhalte.
Hier mache ich mir am besten wieder einmal eine POV-Einbettung für die Fahrbeschreibung zunutze. Betrachtet aber auch hier wieder einmal den Mute-Button als guten Kumpel, denn das die ganze Aufnahme durchziehende Stimmbruch-Gekrächze des einen Mitfahrenden unterstreicht irgendwie zwar den holzigen Charme des Blue Streaks, nervt aber auch ohne Ende.
Einmal den vom Winkel her gesehen nicht mal besonders steilen
First Drop runtergerasselt - ja, bei
der Geräuschkulisse hier ist eine treffende Wortwahl schwierig, siehe den Kegel-Remark weiter oben
- absolviert man das erste von vielen nun folgenden eingehausten Tälern des klassischen Out-and-Back-Layouts. Egal, ob man dabei unter Baumkronen, Stützen der Parallelstrecke oder in natürliche Waldsenken hinein verschwindet - jeder Wegführungstiefpunkt weist beim Blue Streak irgendeine formidable Begleitattraktion auf. Optisch einfach brillant und schlicht fantastisch! Mit funktionierenden Scheinwerfern am Frontcar dürfte dies wohl gerade nachts ein unbeschreibliches Erlebnis darstellen!
Ausserdem berichtenswert: ich kenne keine andere Holzachterbahn, die dermassen hypnotische
Airtime bietet! Und ja, das
ist das richtige Adjektiv dafür, denn lang hab ich dran rumstudiert!
Möglich, dass es an der Freiheit durch die Klappbügel oder an den wohl ebenfalls noch recht vorzeitlich berechneten Hügelformungen liegt, aber wie frei, sanft und doch heftig man hier auf jeder Kuppe in die Höhe schwebt, ist schlicht kaum zu fassen. Nie mit den Beinen den ohnehin viel zu weit oben liegenden Bügel berührend, aber trotzdem den vollen Spielraum ausnutzend - einfach sagenhaft geil!
Auf Ewigkeit wird mir diesbezüglich die erste Fahrt im letzten Wagen im Gedächtnis bleiben: die junge vor mir sitzende Dame hatte ihr blondes Haar - man verzeihe mir die Unkenntnis von Frauenfrisuren-Fachtermini - zu einem Zopf geflochten, den sie anschliessend noch irgendwie schneckenförmig ins Resthaar zu beiden Seiten eingebettet hatte. Wie auf Kommando erhob sich dieser Zopf bei jedem Negativ-
G-Moment wie eine von Flötenklängen zum Tanz animierte Kobra aus ihrem Korb in die Höhe!
Nur langsam aufsteigend, aber bis zum bitteren Ende "oben bleibend" - und genauso muss man sich die
Airtime als Mitfahrer vorstellen! Klingt komisch, ist aber so.
Der Blue Streak war definitiv eine der ganz grossen Überraschungen der gesamten diesjährigen Reise! Was die altersbedingten Zusatzkinks aus diesem hundskommunen Out-and-Back-Streckchen machen ist wirklich kaum mit Worten wiederzugeben. Beim formvollendeten Lifthill des Grauens angefangen, über all die wilden Hügel im tiefen Wald mit bislang noch nie in so einer Form angetroffenen Schwebemomenten, bis hin zu den Century-Flyer-Zügen, die auf der Retourstrecke vom Park aus betrachtet das WTF-ige Erscheinungsbild zusätzlich bereichern, weil es so aussieht als ob Seifenkisten aus Olivenölkanistern hier über die Antikholz-Hügel poltern... Einfach grandios und eine unfassbar schöne alte Trouvaille. Alleine dafür lohnt sich der eh schon fast geschenkte Wristband-Preis. Alle Daumen rauf!
Quelle: onride.de viewtopic.php
Ich hoffe, es geht in Ordnung, dass ich zur Vorstellung des nächsten Counts, Devil's Den, ein Bild von Bruno aus dem weiter oben schon einmal zur Zitierung gebrauchten Tourtagebuch ausleihe, da mein einziges davon total verwackelt rausgekommen ist und entsprechend meine Sammlung schon vor der Heimkehr verlassen musste.
Devil's Den ist ähnlich wie Black Diamond in Knoebels mehr Geister- als Achterbahn, zählt dank einem Lifthill und einem kleinen Gefälle à la Broadway Trip an der Fahrgeschäftsfront aber dennoch als Coaster. Ich hatte den Eindruck, dass nicht alle Gruseleffekte hier drin überhaupt richtig funktioniert haben - die wie konzipiert ihren Job ausführenden sind aber sowieso auch eher trashiger Natur, dafür muss man sich das Teil nicht unbedingt antun.
Was mir wohl am besten im Gedächtnis haften bleiben wird - fürwahr auch hier wieder eine sehr bewusste Wortwahl - ist die Sternenhimmel-Wand entlang des kleinen Lifthills, die sich bei näherem Betrachten aber nicht als aufgemalt, sondern als zusammengepappt entpuppt, da die vermeintlichen Sterne tausende gebrauchte und dort entsorgte Kaugummis in allen Regenbogenfarben sind.
Und ich hätte ja gewarnt sein können, hab das entscheidende Vorwarn-Schild aber doch erst im Nachhinein entdeckt: "Ride the Devil's Den, home of the infamous gum wall!" Entzückend.
Was ein kurzes Vorbeischauen ebenfalls rechtfertigt: die Freude des Ride-OPs, heute überhaupt mal einen Fahrgast empfangen zu dürfen und der mit unnachahmlicher vor- und rückwärtiger Schubsbewegung absolvierte Mini-Dip. Nicht verpassen!
Im Kinderland schräg gegenüber hatte der alle Attraktionen allein bedienende OP alle Hände voll zu tun, die wenigen, aber doch vorhandenen Kleinen und ihre Begleiter auf diversen Schleifen und Minikarussells bei Laune zu halten. Keine Chance, da auf die Inbetriebnahme des Herschell-Ovals Little Dipper zu pochen, ohne ein gerechtfertigtes Augenrollen zu ernten - und zu
dem Wristband-Preis hätte ich ehrlich gesagt auch ein schlechtes Gewissen dabei gehabt.
Da hab ich lieber noch ein paar Runden Blue Streak angehängt.
Ein Fahrgeschäft wie Witch's Stew hab ich zuvor noch nie gesehen. Dabei handelt es sich um ein
Tempest von Watkins und man kann sich ein Mischding aus Teetassen-Karussell und Scrambler darunter vorstellen.
Beim Minigolf-Platz entlang von Blue Streak hiess es auf einem Schild: Schläger und Bälle sind beim Pizza Shack erhältlich, bei Interesse solle man sie doch dort abholen. Wo sich dieser aber befindet hab ich bei meinen Rundgängen durch den Park nicht rausfinden können.
Ein ja nicht mehr so häufig anzutreffendes Tumble-Bug-Fahrgeschäft gibt es hier auch noch, es sah aber nicht wirklich betriebsbereit aus.
In der Nähe des Kinderlands steht noch ein Trabant.
Auch durch den Wasserparkteil bin ich rasch spaziert. Wobei das wohl zu viel gesagt ist, denn da gibt es eigentlich nur einen Lazy River, ein Kinderplanschbecken und die oben gezeigte Bodyslide-Anlage, die aber geschlossen war. Meinem Eindruck nach handelt es sich dabei um die gleiche oder zumindest eine sehr ähnliche Machart wie diejenige im Wasserpark vom am Vortag besuchten Martin's Fantasy Island.
Etwas voller als der Freizeit- und Wasserpark war der Strand am eigentlichen Conneaut Lake. Sah besonders angesichts der inzwischen doch in sommerliche Bereiche hochgekletterten Temperaturen schon sehr einladend aus.
Vorbei an den Picknickpavillons...
...und über die wirklich sehr desolat wirkende Spielbudengassen-Fortsetzung des Midways ging es nach knappen eineinhalb Stunden wieder zurück zum Parkplatz und zum Ford.
Da konnte man ein kleines Stück ans Nordwesteck des Wiesenlots rangezoomt dann auch erkennen, dass der angebliche Verkauf nach Texas der früher hier beheimateten Toboggan-Anlage offenbar nur die halbe Wahrheit ist.
Mit diesem sehr bezeichnend den allgemeinen Zustand des Parks unterstreichenden Bild nehmen wir nun Abschied von Conneaut Lake. Irgendwie war es schon traurig zu sehen, wie dieser an sich durchaus mit Charme versehene Trashpark im Nirgendwo bei meinem Besuch zu besten Bedingungen um Gäste und ums Überleben kämpfte. Denn ein paar tolle Attraktionen für die Nostalgiker hat er ja schon zu bieten, allen voran den wirklich einzigartigen Blue Streak. Ich kann jedem Cedar-Point-Pilgerer nur ans Herz legen, auf der Route nach Sandusky hier einen kurzen Zwischenstopp einzulegen, solange es noch geht. Kann man ja auch prima mit dem vom Grundcharakter her recht ähnlichen Waldameer kombinieren. Die besseren Woodies hat man auf diese Weise allemal (also zumindest noch in diesem Jahr
) und man erweitert wirklich auch auf eine Art seinen Horizont, wenn man vor der Coaster-Hochburg auf der Halbinsel im Eriesee zuerst ein paar solche Kleinperlen etwas ursprünglicheren Charakters mit einem Besuch beehrt. Es hat mich überrascht, dass auf Screamscape erst vor kurzem ein
News-Artikel verlinkt war, der optimistisch in die Zukunft schaut, da der Conneaut Lake Park mit seinen zurzeit vorherrschenden Weekend-only-Operations offenbar tatsächlich Profit erwirtschaften kann. Es bleibt zu wünschen, dass der Park und sein altehrwürdiger Woodie-Schatz uns noch lange erhalten bleiben!
Auf den bereits bei der Anfahrt kennengelernten Highways nun noch weiter nach Westen und bald nach Norden düsend, erreichte ich nach knapp eineinhalb Stunden Fahrzeit die Greater Cleveland Area. Unterwegs wurde ganz Detailhandels-Junkie-konform und überhaupt gut zu diesem Nachmittag passend noch ein Zwischenstopp in Mentor OH eingelegt, um dem letzten Kmart Supercenter - ja, auch das hat es einmal gegeben - beim Sterben zuzusehen, bevor es dann wohl im Verlauf des nächsten Jahres in einen Meijer umgewandelt wird. Nach eigentlich nur noch kurzer Fahretappe an Ted Mosbys Heimatstadt vorbei, die mir nach diesem Tag irgendwie trotzdem lang und mühsam vorgekommen ist, hab ich dann schliesslich mein nächstes Hotel, das Best Western in Elyria erreicht. Im Rahmen eines Coaster-Roadtrips liegt dieses unfassbar passend an der
Griswold Road und idealerweise nur noch eine runde Dreiviertelstunde vom Mekka aller Achterbahnfans entfernt.
Der nächste Bericht wird dann also aus Cedar Point folgen und wohl noch etwas Erstellungsdauer in Anspruch nehmen, da ich mich zuerst durch einen riesigen Fotoberg und reichlich Tagebuch-Seiten durchkämpfen muss.
Bis dahin: vielen Dank fürs Lesen!
"Sometimes your shallowness is so thorough it's almost like depth."