Wohin zieht es den geneigten Achterbahnfahrer, wenn er ein paar Tage in London ist? Richtig, in den Thorpe Park im Süd-Westen der Metropole! So habe ich die Gelegenheit genutzt, einen Tag meines London-Urlaubs dort zu verbringen und so meinen Coaster-Horizont, der sich bis weilen auf deutsche und holländische Parks beschränkt, auszuweiten.
Ich habe im Vorfeld einiges über die Besucherdichte im Park gelesen und hoffte, dass es an jenem Donnerstag, den 29.09. nicht zu voll sein würde, sodass ich die vielen Thrillrides wenigstens alle einmal fahren könne. Hierbei sah ich auch die recht kurzen Öffnungszeiten (10-17 Uhr) als kritisch. Ein typisch britisches Wetter und der Fakt, dass der Besuchstag außerhalb der Schulferien lag, sollte meinen Befürchtungen jedoch entgegenstehen.
Da mein Hotel etwa auf der anderen Seite Londons war, machte ich mich nach sehr frühem Breakfast auf den Weg durch den Berufsverkehr. Nach etwa 2 1/2 Stunden erreichte der Thorpe-Park Shuttle-Bus schließlich 10:20 Uhr den Parkplatz der Erlebnisinsel, welcher doch sehr leer wirkte. Aber wer weis wie viele Leute später oder mit dem ÖPNV kommen würden
Diese Insellage macht den Park schon besonders. Schade dass diese Besonderheit (noch) nicht durch Rides auf und im Wasser genutzt werden. Ein Watercoaster auf der Wasserfläche mit Splash in selbiger wäre geil. But we will see!
Dank des Selfprint-Tickets ging es sofort durch das Drehkreuz in den Park. Meine Buchung beinhaltete zusätzlich einen Einmal-Fastpass, den ich an der Fastpass-Bude für Stealth auf die Zeit legte, zu der der Park am vollsten sein wird. Doch wie die Mitarbeiterin dort sagte, würde es heute sowieso nicht sehr voll werden. Das hörte sich schon mal erleichternd an
Nun ging es endlich los! Als erstes zog es mich zum nahe gelegenen
Wingcoaster –
Swarm
Die kompakte Anlage konnte mich schon mal vom Theming her überzeugen. Gut, dieses Weltuntergangs-Theming des Parks mag nicht jedem gefallen und der Station täte ein Dach auch gut. Aber ich finde es stimmtig und bindet die Nearmiss-Effekte (allein beim zuschauen) gelungen ein.
Der Blick auf die Anzeige stimmte mich schließlich sehr zufrieden
Da ich seit 2012 nicht mehr im Heidepark war, sollte dies mein erster
Wingcoaster sein und ich war sehr gespannt darauf, welches Potenzial diese Sitzposition bietet und was diese Gummiwesten taugen. Letztere erwiesen sich als sehr bequem, nachdem ich sie in der linken Firstrow anlegte.
Die Fahrt konnte mich auch überzeugen. Der Dive-Drop ist eine schöne Abwechslung zu klassischen Drops und bietet eine Menge Thrill, wenn man sich dort hinein dreht. Dieses empfand ich in den hinteren Reihen (außen) am intensivsten. Die folgenden Elemente (Zero-
G Roll, Inclined
Loop,
Corkscrew, In-Line Twist) konnten mich ebenso überzeugen. Die letzte, als Station-Fly Through ausgeführte,
Inversion war für mich das finale Highlight der Bahn. Direkt aus der Kurve kommend windet sich der Zug über den Köpfen der Wartenden durch Mauern und Gebälk der Station sowie den eigenen Stützen. Pure Head Chopper! Die gesamte Fahrt erwies sich dabei als butterweich, erschien jedoch – wie schon oft gelesen – als sehr behäbig. Meiner Meinung nach verliert die Fahrt hierdurch an Thrill, was wiederum durch die tolle Sicht- u. Beinfreiheit und den Near-Miss Effekten kompensiert wird. So bin ich umso kritischer, ob das Pendant in Soltau, mit seinen eher bescheidenen Near-Misses hier mithalten kann.
Nach zwei Fahrten zog es mich weiter, um die anderen Coaster unter ähnlichen Andrang zu bestreiten. Als nächstes hatte ich Appetit auf
Intamin, welcher auf
Colossus (vorerst) gestillt werden konnte
Wie (fast) alle Bahnen im Park, wurde diese mit nur einem Zug betrieben, woraus hier eine Wartezeit von 20 Min resultierte – für die Firstrow!
(für die anderen Reihen dürften die angeschlagenen 10 Min hinkommen)
Durch den üppigen Pflanzenwuchs und den teilweise tiefer liegenden Parts wirkt diese Bahn – passend zum Lost-City Theming – schön verwegen. Hinzu kommt, dass man hier teilweise gefährlich nah an die Strecke heran kommt und tolle Fotos ohne störende Netze und Gitter machen kann. Diese Gelegenheit hätte ich doch mehr nutzen sollen.
Trotz des fortgeschrittenen Alters stellt diese ehemalige Rekordbahn mit ihren 10 Inversionen eine Hausnummer dar. Die vier aufeinander folgenden Headline Rolls machen richtig Spaß. Dabei empfand ich die Vibrationen der Bahn als weitaus geringer als davon zu lesen ist und keineswegs störend.
Nach zwei Fahrten (First- und Lastrow) ging es weiter zum nächsten Leckerbissen:
Saw – The Ride
Nach dem Fluch von Nowgorod mein zweiter Eurofighter. Komischerweise wurde hier trotz des geringen Andrangs mit vier Wagen gefahren, was mir recht sein sollte
Trotz Walkthrough nahm ich mir die Zeit das Theming der Queue genauer zu studieren: Das Labyrinth aus Maschen- und Stacheldraht wirkt zwar wenig einladend (das soll es auch nicht), passt aber zum Thema. Dieses unterliegt natürlich wieder dem Geschmack des Besuchers. Zwar bin ich kein großer Fan der bezugnehmenden Filmreihe, doch wurde diese konsequent eingebunden. Die Engländer scheinen da ungehemmter mit der Darstellung von Folter- u. Abschlachtszenen in einem Vergnügungspark umzugenen.
Nach der Taschenabgabe in der vorderen Reihe platzgenommen, wartete musste ich auf weitere Fahrgäste warten, bevor der Wagen zum Darkride-Part losgelassen wurde. Von diesem konnte ich mich richtig überraschen lassen, da ich mir unmittelbar vor meinem Besuch keinen Onride dieser Bahn angesehen habe. So hat mich der wahnsinnig geile Drop unter den Stacheln und schwingenden Beilen hinweg richtig geflasht! Ebenso die Headline Roll mit dem blutspritzenden Körper über bzw. unter einem. Welch ein krasser und intensiver Darkride-Part zu Beginn!
Der darauf folgende Coaster-Part im freien steht diesem IMHO allerdings auch nichts nach: Die Zeit ist abgelaufen! – Game Over! Zu ihrer martialischen Hinrichtung werden die Fahrgäste den 30m hohen Vertikallift hochgezogen, um von diesem mit einer 100° Neigung in die Sägeblätter zu fallen. Diese wirkten mir allerdings als zu weit entfernt, um den Effekt im Darkride-Part zu toppen. Es folgen ein
Immelmann, ein hoher Overbanked Turn sowie ein ausgeprägter
Airtime-Hill, bevor es in die
Blockbremse geht. Durch dessen geringe Bremsung gibt es beim folgenden Drop noch einmal saftige
Airtime, gefolgt von einem sehr engen Diveloop (mein erster). Nach einer aufwärtsführenden Kurve erreicht man die Schlussbremse, nach der es wieder ins Stationsgebäude geht.
Und JA, der Coaster-Part verteilt ein paar Schläge! Wenn ich von diesen absehe, oder sie zum Theming zuzähle
, sehe ich in Saw – The Ride einen Coaster mit konsequenter Thematisierung, genialem und überraschendem Darkride-Part und einem sehr intensiven Coaster-Part, der neben den gelungenen Inversionen auch noch ordentlich
Airtime bietet. Dieses Gesamtpaket macht Saw für mich zum besten Coaster im Park. – Jetzt könnt ihr zerschlachten
Nach zwei Wiederholungsfahrten ohne „auschecken“ der Station, wurde es wieder Zeit für
B&M! Zu meiner Freude lief nämlich der bereits im Shuttle-Bus als „temporary out of order“ beschriebene
Inverter,
Nemesis Inferno, mittlerweile.
Zu meiner Verwunderung wurde die Kapazität hier nicht
B&M-typisch weggeschaufelt, sodass hier mit 20 Min die längste Wartezeit im Park bestand. Es zeigte sich, dass dies weniger an dem schlagartigeren Andrang nach der Downtime sowie dem Einzug-Betrieb lag, sondern eher an der hier doch sehr langsamen Abfertigung. Der Zug blieb ewig lange in der Schlussbremse stehen und die Bügelkontrolle geschah alles andere als zügig. Die Mitarbeiter wirkten hier, anders wie im restlichen Park, wenig motiviert. Daher blieb es hier auch bei nur einer Fahrt.
Zur Fahrt selber möchte ich nicht viel sagen. Sie ist gut, macht Spaß, allerdings doch weniger intensiv als die Black Mamba (Einen weiteren, akzeptablen Vergleich habe ich leider nicht). Das Theming ist zwar in Ordnung, aber natürlich auch kein Vergleich zur Anlage in Brühl. Dafür ist der Streckenteil vor dem Lift eine Abwechslung, die den Coaster doch etwas besonders macht.
Im Anschluss war erstmal eine kleine Coasterpause im Inferno’s Pizza & Pasta angesagt. Für ₤10 erwartet hier ein für Freizeitparks gutes Buffet. Aber Vorsicht! Dem Namen entsprechend sind die Salami- u. Peperonipizzen sehr scharf, dessen Verzehr man sich gut überlegen sollte, wenn man danach noch ordentlich coastern will
Nun war es mit 13:00 Uhr immer noch zu früh für mein Fasttrack-Ticket auf
Stealth. Doch bei direktem erblicken des riesigen Top Hats führte kein Weg an dieses Ungetüm vorbei
Auf dem Platz des Amity Beach (innerhalb des Bahnlayouts) sah ich, das mein 1x Fasttrack-Ticket heute vollkommen überflüssig war. Die angeschlagenen 5 Min entpuppten sich als ein direktes Durchgehen zur Station, dortiges Taschen-Abgeben und den nächsten oder übernächsten Zug zu nehmen
Für meine erste Fahrt auf einen „richtigen“ Hydraulic-Launch-Coaster (sorry Desert Race) nahm ich natürlich auch 5 Min mehr für die Firstrow in Kauf
Während dieser Wartezeit wurde ich zunehmend aufgeregter. Wie intensiv wird der Launch sein? Und wie fährt sich so ein vertikaler
Top Hat?
Dann war es so weit: Rein in den Sitz, den wuchtigen Bügel runterziehen und kontrollieren lassen – und schon rollte der Zug leicht nach vorne, auf den Mitnehmer. Die Ampeln leuchteten auf, der Zug rollt leicht zurück. Jetzt geht's gleich los! RAISE YOUR HANDS! GO! GO! GO! Pfffft –
Wuuuuuuuuuusch!
Ich muss schon sagen, der Launch ist schon enorm und DAS Highlight der Bahn. Wie eine Schleuder wird der Zug über die Strecke katapultiert. Und das doch ein ganzes Stück derber als auf Desert Race in Erinnerung habe. Der Vergleich beider Daten drückt diesen Unterschied auch aus:
Desert Race: 0 - 100 km/h in 2.4s
rcdb.com 3081.htm
Stealth: 0 - 128,7 km/h in 1.9s
rcdb.com 3617.htm
Schneller als ich es realisiert habe, war auch schon der 62,5m hohe
Top Hat erklummen. Langsam neigt sich der Zug gen Erdboden, stürzt hinab
, vollzieht dabei die Drehung, rast durch das Tal, auf den
Camelback, wo der Zug doch recht ruckartig abgebremst wird. Das war es! Sehr kurz aber sehr intensiv, wie ich es mir vorgestellt habe. Was ich mir jedoch airtimelastiger vorgestellt habe, ist der
Top Hat. Auf dessen Spitze war man doch zu langsam für
Airtime unterwegs (und doch zu schnell für einen
Rollback ) Dies empfand ich auch auf Folgefahrten an unterschiedlichen Plätzen des kurzen Zuges so. Aber enttäuschend finde ich die Bahn deswegen keineswegs. Sie knüppelt voll rein und zieht einem die Arme weg! Die Stimmung rund um den Coaster mit der Beschallung durch die Amity Radio Station tut das übrige dazu. Es ist schon irgendwie schade, dass die Bahn so kurz ist und die verbremste Energie wohl reichen würde, um Taron hinten anzubauen
Soviel zu den Achterbahnen, von denen ich Colossus, Saw, Swarm, und Stealth im laufe Nachmittags noch mehrmals gefahren bin. Die anderen beiden Bahnen bin ich nicht gefahren. Flying Fish wollte ich nicht nur für den Count fahren (vielleicht mit etwas mehr theming). X wollte ich eigentlich gen Ende fahren, war dann aber leider down
Neben den Achterbahnen hat Thorpe Park bekanntlich noch mehr zu bieten. So habe ich
S&S-Flatrides
Slammer und
Rush getestet. Beide empfand ich sehr thrillig, was wohl hauptsächlich an den spartanisch ausgeführten Bügeln liegen dürfte.
Aufgrund der geringen Wartezeiten blieb neben dem ausgiebigen Fahren der Thrillrides noch genügend Zeit die neuste Attraktion des Parks zu testen:
Derren Brown’s Ghost Train
Dies stellte für mich auch die Premiere von Virtual Reality dar. Nach einer kleinen Preshow, mit Derren Brown als Hologram-Video, gelangt man zur Thorpe Junction, einer seltsam anmutenden Station, wo man auf raue Art von einem Schaffner in den scheinbar durch Ketten gehaltenden Geisterzug geführt wird. Entsprechend der Londoner Tube hat man an den Seitenwänden gegenübersitzend platzzunehmen. Mit dem Unterschied, dass hier sogenannte „savety masks“ (Geschirre mit VR-Brille mit Kopfhöhrern) runter hängen. Diese sind aufzusetzen, womit – durch eine reale Sequenz unterbrochen – die Virtual-Reality-Parts bestritten werden. Zur erzählten Geschichte möchte ich hier nichts spoilern. Nur so viel: Es werden anscheinend je nach Platz verschiedene Geschichten gezeigt, es werden weitere Sinne bedient, die Grafik ist ausreichend gut, die Synchronisation passt (wenn auch das Teeniekreischen der Mitreisenden die Illusion etwas trübt) und die Story lässt sich auch mit begrenzten Englischkenntnissen nachverfolgen
Alles in allem ein sehr gelungenes Maze/Kino/Darkride/…?, welches gekonnt und illusorisch eine Horrorfiktion darstellt. Zwar bin ich noch keinen VR-Coaster gefahren, doch denke ich, hat eine solche Attraktion ein größeres Potenzial für die VR-Technik.
Trotz des mäßigen Wetters wollte ich auch noch eine ganz bestimmte Wasserbahn fahren. Das war natürlich
Tidal Wave. Einen solchen Splash vermisse ich noch in einem deutschen Park.
Zum Abschluss gönnte ich mir noch zwei Fahrten auf Saw, dem Coaster, der knapp vor Stealth mein Favorit im Park ist.
Gruß
jumbo