Bevor ich zu den Skandi-Berichten zurückkehre, möchte ich noch die übrigen Wien-Berichte fertig machen.
Wie bereits im Hauptbericht erwähnt, waren wir über den Samstag Mittag zwischen Anreise und Prater-Fantreffen noch im etwas kleineren und weniger bekannten Böhmischen Prater. Der befindet sich im Laaer Wald am Rande Wiens, direkt in der Einflugschneise des Flughafens - also wenn man die richtige Landebahn erwischt. Seinen Ursprung hat er im 19. Jahrhundert in einer kleinen Gastwirtschaft. Ein beliebtes Ausflugsziel für die Arbeiter der Wiener Ziegelwerke. 1882 stellte der Eigentümer Franz Bauer eine Schaukel und ein Ringelspiel auf. Bereits zwei Jahre später hatten sich im Laaer Wald 20 Gaststätten und zahlreiche Schausteller angesiedelt. Und weil die angesprochenen Arbeiter der Ziegelwerke als Besucher vorwiegend aus Böhmen und Mähren stammten, erhielt dieses Vergnügungszentrum analog zum großen Prater seine Bezeichnung als Böhmischer Prater.
Per Bahn brachte uns Alex einmal quer durch die Stadt bis zum Bahnhof Wien Grillgasse. Von dort mussten wir die übrigen etwa 600 Meter zu Fuß zurücklegen. Über einen Feldweg den Berg hinauf. In der sengenden Hitze der Mittagssonne. Dann bogen wir auf die Straße Laaer Wald ein und schritten damit direkt auf den Böhmischen Prater zu.
Wäre da nicht wie aus dem Nichts die Raupenbahn am Wegesrand aufgetaucht, hätten wir das nichtmal gemerkt...
Die Attraktionen und Restaurants stehen einfach links und rechts entlang der Straße.
Trampoline.
Karussells.
Autoscooter. Das Übliche eben.
Lediglich ein paar Banner an den Zäunen gaben den Böhmischen Prater als solchen zu erkennen.
Ein Minigolf-Platz gehört natürlich auch dazu.
Mit meinem ersten Wiener Looping.
Süße Naschereien gibt es in einer alten Straßenbahn.
Dahinter versteckt sich ein recht altes Kettenkarussell.
Allerdings nur für Kinder, denn das Maximalgewicht konnten wir alle drei nicht einhalten.
Interessant ist auch das Riesenrad. Ein Prototyp von Soriani & Moser.
1988 wurde es als erstes Riesenrad mit nur einem Mast eröffnet.
Das Rad selbst ist zwar nur 21,5 Meter hoch, dank seiner Lage auf dem Berg in 251 Metern ist das Panorama-Rad dennoch einer der höchsten Aussichtspunkte Wiens. Neben dem Blick auf die Stadt und den Flughafen kann man bei schönem Wetter wohl sogar bis in die Slowakei blicken. Gefahren sind wir damit allerdings nicht.
Auch nicht mit der Märchenbahn.
Das historische Pferdekarussell im grünen Pavillon wären wir dagegen gerne gefahren. Das blieb aber geschlossen.
Eröffnet wurde das mit handgeschnitzten Pferden ausgestattete Karussell im Jahr 1890, Kaiser Franz Joseph persönlich soll damals zugegen gewesen sein. Schausteller Karl Mayer wollte sich allerdings zur Ruhe setzen und hat im Zuge dessen seine Attraktionen verkauft. Darunter eben auch das denkmalgeschützte Pferdekarussell. Der neue Eigentümer ist Ernst Hrabalek, ein 71-jähriger Manager (Leiter der Gießerei Becker Guss), der als Kind selbst oft im Böhmischen Prater war und auch auf dem Karussell einige Runden gedreht hat. Gut eine Woche nach unserem Besuch erschien ein Zeitungsartikel über den Verkauf. Demnach geht es Hrabalek nicht um einen möglichen Gewinn, sondern er will den Böhmischen Prater und das Karussell einfach erhalten. Aber er will auch mit neuen Ideen neue Besucher anlocken.
Die anderen Schausteller waren skeptisch, vor allem weil das Karussell nun mehr geschlossen als geöffnet war. Zu dem Zeitpunkt stand die offizielle Vorstellung des neuen Eigentümers aber noch bevor.
Und da war sie. Meine erste österreichische Achterbahn.
Der Shark Trip ist noch relativ jung. Die Familienbahn von SBF Visa wurde erst 2012 eröffnet.
Nicolas und ich waren die einzigen Fahrgäste. Gleich siebenmal ließ man uns den kurzen Parcours absolvieren.
Passend zum feuchten Thema spuckt der kleine grüne Freund ein paar erfrischende Fontänen aus.
Eine nette Bahn, die bei der vorherrschenden Hitze eine überraschende Abkühlung lieferte. Das tat wirklich gut, auch wenn es nicht allzu lange anhielt. Noch besser war eigentlich nur die Musikuntermalung. Während unserer Fahrt lief doch tatsächlich Viva Colonia. Leider hörten wir davon nicht allzu viel, denn die Bahn selbst machte doch etwas mehr Lärm als die Musikanlage.
Gegenüber stehen noch ein paar Türme.
Und wenig später hatten wir auch schon das Ende der Straße erreicht.
Dort machten wir Kehrt und gingen wieder zurück.
Immer schön im Schatten, soweit es möglich war.
Denn wenn wir schon das Pferdekarussell nicht fahren konnten, wollten wir wenigstens die Raupe noch mitnehmen.
Die wurde immerhin auch schon 1929 eröffnet.
Der Ride-Op war noch beim Mittagessen, sodass wir etwas Zeit hatten, das Fahrgeschäft zu erkunden.
Angetrieben wird es von zwei mitfahrenden Motoren hinter je einer solchen Raupe.
Und dass die Böden aus Gittern bestehen, hat natürlich auch einen Grund.
Denn nach wenigen Runden startet ein im Boden unter dem Karussell eingelassenes Gebläse, das direkt auf die Fahrgäste gerichtet ist. Der kurze Luftstoß in jeder Runde hätte gerne etwas kühler sein dürfen, tat aber auch so ganz gut. Dabei hatte er einen gänzlich anderen Sinn, den uns die Besitzerin Frau Geissler im Anschluss erklärte. So sollte der Luftzug die langen Kleider der mitfahrenden Damen leicht anheben um das Knie zu entblößen. Zur damaligen Zeit schon hocherotisch. Es entwickelte sich ein nettes Gespräch über die Geschichte der Raupe mit diversen Anekdoten. Frau Geissler war wirklich sehr nett und gesprächig. Und weil wir ihr ebenfalls sehr nett erschienen, ließ sie obendrein noch die neben der Raupe stehende Orgel spielen. Und einen sehr interessanten und exklusiven Einblick in die Scheune gab es auch noch - den bekommen nur ausgewählte Besucher. Danke für diesen gelungenen Auftakt unseres Wien-Besuchs.
Die angesprochene Orgel wurde erst kürzlich repariert.
Gebaut wurde sie 1913 in Waldkirch.
Aber nicht alles, was aus Waldkirch kommt, kommt von Mack.
Auf Frau Geisslers Empfehlung hin begaben wir uns schließlich "Zum Werkelmann", wo ich mein erstes Wiener Schnitzel essen wollte. Sehr lecker und verdammt groß. Darauf war ich nicht vorbereitet, meine Reste verschlang Nicolas noch zusätzlich zu seinem Schnitzel...
Im Garten lagen noch zwei gewichtige Borstentiere. Und eine Ziege lief völlig frei herum.
Nach der Stärkung wanderten wir dann zu einer Bushaltestelle, von der wir wieder in die Stadt fuhren. Unterwegs stiegen wir mal aus, um das angeblich beste Eis Wiens zu essen, dann ging es weiter zur Donauinsel und schließlich zum Prater-Fantreffen in den großen Bruder des Böhmischen Praters.
Fazit: Der Böhmische Prater ist noch weniger als Freizeitpark zu erkennen als der große Wiener Prater. Die Fahrgeschäfte stehen hier wirklich kirmesmäßig einfach am Straßenrand und richten sich primär an Familien - also genauer gesagt deren Kinder. Gerade zu unserer Besuchszeit war zudem recht wenig los, sodass einige Ecken doch arg verwaist wirkten. Hier und da würde eine gepflegtere Umgebung und ein frischer Anstrich nicht schaden. Aber insgesamt ist die Atmosphäre doch ganz nett und man trifft auf ein paar eher spezielle Fahrgeschäfte. Insbesondere die historische Raupe und das leider geschlossene Pferdekarussell. Schade, dass der große Prater dem kleinen nicht nur die Show, sondern wohl auch zahlreiche Besucher stiehlt...