So langsam aber sicher kann man sagen, dass sich Walibi von der Six Flags Ära erholt hat. Mit dem Re-branding der Marke im Jahr 2012 und den damit einhergehenden Änderungen im Park war man lang genug beschäftigt, doch Neuheiten blieben bis auf die Reaktivierung des schallgeschwindigkeits-Boomerangs und der wahrlich genialen Gestaltung der
Abschussachterbahn Xpress: Platform 13 aus. So gelungen die Neustrukturierung des Parks rund um die fiktiven Bands W.A.B. und The Skunx auch ist, so scheint man in Holland lieber eigene Wege zu gehen und wirft vieles einfach so über den Haufen; weil „Haard Gaan“ und so. Viel Sinn steht da nicht mehr dahinter, zumal man nun eine eher asoziale Klientel bedient.
Zum Besuchszeitpunkt war die Defqon 1 gerade vorbei und der Abbau der imposanten Bühnen gerade im vollem Gange.
Der Park war angenehm besucht, ob es die Tage zuvor auch so war kann ich nicht sagen.
Aber El Condor wird wahrscheinlich etwas längere Wartezeiten gehabt haben.
Der "neue" Farbanstrich gefällt mir doch recht gut,
die Fahrt wurde durch die vorgenommenen Maßnahmen jedoch weder besser, noch schlechter.
Der Regenschirm ist zwar schon stumpf, aber aufregen werde ich mich darüber nicht.
Das Publikum im Park waren leider größtenteils niederländische Schulklassen,
was auch mal dazu führte, dass ein Zug von Goliath dank, immerhin durchs Personal aufgenommene, Portraitfoto in der Station erst nach fünf Minuten los geschickt wurde.
Die Fahrt ist, auch im "neuen" Farbschema, schlichtweg genial.
Ähnlich genial ist auch die Warteschlange zu Xpress: Platform 13
und auch der "neue" Soundtrack bei Speed of Sound kann sich hören lassen.
Walibi ist nach wie vor ein toller Freizeitpark,
doch ist man derzeit auf dem "Hard Gaan" Trip.
Ob man sich damit einen Gefallen tut weiß ich jedoch nicht.
Aber was soll man machen, wenn der größte Konkurrent alle anderen Zielgruppen bedient?! Als ersten Schritt zum Steilgehen oder Schnellgehen, nach der wortwörtlichen Übersetzung, war es Speed of Sound seinem Soundtrack zu berauben. Klar, der neue Track ist gut, er nimmt der Anlage aber seine Geschichte. Der zweite Schritt wurde in diesem Jahr mit der Eröffnung der Achterbahn Lost Gravity durchgeführt.
Die Gestaltung der Warteschlange ist abgedreht, teilweise aber doch sehr konservativ und erinnert zwangsläufig an die Achterbahn Dizz des belgischen Freizeitparks Bobbejaanland. Hier wäre dann doch einiges mehr möglich gewesen, zumal das eigens erzeugte Universum der Comics von Morvan, L’Hermenier und Wuye deutlich mehr Möglichkeiten bereitgestellt hat. Wahrlich ungewöhnlich sind hingegen die Wagen der Achterbahn, die ähnlich den
Intamin Wing Coaster, jeweils zwei Sitzplätze mit Flur und zwei ohne bieten, darüber hinaus aber auch eine hohe Front aufweisen. Der Sitzkomfort ist großartig und der Aufbau der Wagen wirkt sich nur sehr geringfügig, oder genauer gesagt in einer vernachlässigbaren Art und Weise, auf den Fahrkomfort aus.
Die Fahrt beginnt mit einer Rechtskurve aus der Station heraus, ehe es rasch via Kettenlift hoch hinausgeht. Ohne Rast und Ruh wirft sich der Wagen in einer wahnsinnigen Art und Weise sogleich die 32 Höhenmeter hinunter; zumindest gilt dieses, wenn man auf einem linksseitigen Sitzplatz Platz genommen hat. Das überaus steile und weit verdrehte Gefälle ist atemberaubend ohne Frage, aber auf der rechten Seite beinahe schon langweilig im Vergleich zur linken, der Radius ist schlichtweg zu eng. Mit einem Affenzahn geht es nun über einen bodennahen Double-Up, über dessen Hügel man regelrecht fliegt, ehe man sich auf einem leicht zur Seite geneigten Top-Hat Element wiederfindet; welchen man auch als non-inverted Banana Roll bezeichnen könnte, wenn man denn so wollte. Etwas widersprüchlich zum vorangehenden Layout fügt sich ein riesiger Camelbackhügel an, welcher die Fahrgäste erneut aus den Sitz befördert. In luftiger Höhe durchrast man nun eine weite Wendekurve, die zudem nach außen geneigt wurde. So weit, so gut und würde die Achterbahn nun enden, so wäre sie eine sehr kurze Achterbahn, aber auch eine außerordentlich geniale. Doch anstelle der finalen Bremsstrecke folgt nun eine
Blockbremse und der zweite Part der Fahrt.
Regelrecht in der Geschwindigkeit vermindert neigt man sich nun zur Seite und stürzt sich in einem Dive-
Loop erneut gen Boden. Recht zahm vollzieht man nun eine enge Wendekurve und eine Zero-
G Rolle. Auch in der nächsten Wendekurve in Bayernkurvenmanier ist mindestens eine der Beschleunigungsvektoren null. Dies hat zur Folge, dass von einer dynamischen Fahrweise nicht mehr zu reden ist. Ständig bremst man ab und beschleunigt von neuen, was den aus Staus bekannten Ziehharmonikaeffekt gleichkommt. Über einen Hügel wechselt man erneut die Richtung, überquert eine weitere Kuppe, passiert ein letztes druckreiches Tal, vollzieht eine letzte Wendekurve und findet sich dann in der finalen Bremse und kurz darauf in der Station wieder.
Nach 14 Jahren bietet man mit Lost Gravity die erste neue Attraktion des Parks.
Der erste Big Dipper aus dem Hause Mack macht eine durchaus gute Figur,
was nicht nur an der allgemeinen Gestaltung der Anlage liegt.
Doch so ganz optimal ist die Achterbahn nicht,
dafür verschenkt man zu viel Potential.
Die ungewöhnlichen Wagen
und das nicht komplett gewöhnliche Thema
bietet viel Raum für interessante Experimente.
Doch vielleicht sollte man sich nicht in jeder Richtung austoben
und sich auf eine Sache konzentrieren.
Als Dive Coaster würde man z.B. eine gute Form machen,
wenn man den Mittelpart auslässt
und nur den verschärften First Drop absolviert.
Gut, die Anlage wäre dann etwas kurz und würde diesen abgefahrenen Airtime Double-Up vermissen lassen,
oder aber diesen Airtimehügel
und diese schicke Wendekurve in luftiger Höhe.
Ab hier beginnt der langweilige Part der Strecke
und ab hier macht es wieder Spaß.
Das Ende leitet wenigstens ein Lächeln auf den Gesichtern der Fahrgäste her,
so dass man doch i.d.R. zufrieden aussteigt.
Die Fahrt ist also durchaus in Ordnung
und dementsprechend wunderbar für eine Fahrt nebenher geeignet.
Mit etwas Optimierung hier und da könnte aber ein überaus erfolgreiches Modell herleiten lassen. Potential ist zumindest zu Genüge vorhanden.
Lost Gravity ist eine hervorragende Achterbahn für einen kleinen Zwischenstopp am Wegesrand, mehr leider nicht. Die ersten Gerüchte gingen noch von einer Drehgondelachterbahn aus, dieses wäre sicherlich mit dem ersten Teil der Fahrt kaum machbar, für den zweiten aber ideal gewesen. So oder so, der erste Part ist wirklich verdammt gut, der zweite ist jedoch verschenkt. Die letzten Kurven holen zwar noch einiges heraus und entlassen einen wenigstens noch mit einem kleinen Grinsen aus der Anlage, dennoch konnte die Premiere des Mackschen Big Dippers nicht zufriedenbringend überzeugen; Potential zumindest besteht zu Genüge.
Zum Abschluss möchte ich an die menschliche Vernunft appellieren, die niederländischen Schüler wohl nicht mehr ihr Eigen nennen. Ich gehe davon aus, das besagter Schüler ein äquivalent zum deutschen Abitur anstrebt (macht ja hier auch jeder) und somit keineswegs dumm sein sollte, doch wie bitte schön kommt man auf die Idee bei einer Rafting-Anlage mit beweglichen Booten, wie es Rio Grande nun mal ist, auf der Sitzfläche zu hocken und sich nur lose festzuhalten?! Das ist gefährlich und sollte im Normalfall sofort mit Ausschluss aus dem Park auf Lebenszeit belohnt werden. Wäre dieser Junge ins Wasser gefallen und ertrunken, so wäre ich weder geschockt, noch um ihn besorgt gewesen; im Grunde war es ja sogar vorhersehbar. Seine Kumpel waren ja auch ähnlich drauf, aber im postfaktischen Zeitalter darf man sich durch etwas Willkürliches wie vernunftbasierte Regeln nicht von seiner eigenen Geilheit ablenken lassen. Darauf erstmal ein Selfie! Yeah!
Walibi, überleg dir das mit Haard Gaan besser nochmal, evtl. tust du dir damit im Endeffekt keinen Gefallen.