Ig-Nobelpreise verliehen
Nierensteine verschwinden in der Achterbahn
Einen "Nobelpreis" für die Erkenntnis, dass Achterbahnfahren gegen Nierensteine hilft? Das gibt es. Verliehen wurde er an der Harvard-Uni. Auch andere ungewöhnliche Studien wurden dort ausgezeichnet.
Von Jan Bösche, ARD-Studio Washington
Ein ärztliches Rezept für eine Achterbahnfahrt - das könnte für Patienten mit Nierensteinen bald Alltag sein. Zumindest, wenn es nach zwei amerikanischen Professoren geht. Sie haben herausgefunden, dass Achterbahnfahren hilft, die Steine schneller auszuscheiden. Dafür haben sie jetzt einen Ig-Nobelpreis bekommen.
Nach zwei Minuten kam der Nierenstein
Die Ehre gebühre eigentlich einem Patienten, sagt David Wartinger - einer der Ausgezeichneten:
"Mein Patient fuhr mit seiner Familie in den Frühlingsferien nach Disney World. Er fuhr mit einer Achterbahn. Zwei Minuten später schied er einen Nierenstein aus. Er war so überzeugt, dass das an der Achterbahn lag und fuhr nochmal. Zwei Minuten danach gebar er Nierenstein Nummer 2."
"Ich langweile mich" beendet jede Dankesrede
Achterbahnfahren gegen Nierensteine - das ist ein typischer Ig-Nobelpreis. Ig steht für für das Wortspiel "ignoble" - was auf Deutsch so viel wie "unedel" heißt. Die Preise gibt es seit 1991. Sie sind als Parodie der großen Nobelpreise gedacht. Gründer Marc Abrahams erklärt, jeder Gewinner habe etwas getan, das Leute zum Lachen bringe und dann zum Nachdenken.
Die Zeremonie findet an der ehrwürdigen Harvard-Universität statt, die Preise werden von echten Nobelpreisträgern überreicht. Aber die Organisatoren geben sich alle Mühe, Ernsthaftigkeit zu vertreiben. Die Verleihung beginnt mit einem gemeinsamen Papierfliegerwerfen, zwischendurch gibt es Musik, Dankesreden dürfen nur eine Minute lang sein und werden dann von einem kleinen Mädchen unterbrochen, das immer wieder sagt: "Hör auf, ich langweile mich."
Spucke reinigt wirklich
Vergeben werden die Ig-Nobelpreise in zehn Kategorien: Eine Forscher-Gruppe aus Europa fand etwa heraus, dass Affen im Zoo genauso oft Menschen nachäffen wie Menschen die Affen. Andere Wissenschaftler erforschten, dass Spucke in der Tat ein leistungsfähiges Reinigungsmittel ist.
Zehn Billionen Dollar "Preisgeld"
Außerdem preiswürdig war die Erkenntnis, dass geschulte Weinkenner eine weibliche Fliege im Glas erschmecken können - wegen ihrer Duftstoffe. Herausgefunden hat das Paul Becher - und der erklärt es so:
"Wenn sich eine weibliche Fliege von ihrem Weinglas angezogen fühlt und hineinfällt, ist das traurig für die Fliege, weil sie ertrinkt, und für die Weinkenner, weil der Duftstoff ihren Wein ruiniert. Wir wissen noch nicht, warum unsere Nase Duftstoffe der Fliege registrieren kann - es ist sicher nicht, damit wir Fliegen attraktiv finden."
Die Preisträger dürfen sich über eine Herz aus Plastik freuen - und über zehn Billionen Dollar - als wertlose Banknote aus Simbabwe.
Die Ig-Nobelpreise 2018
Medizin: Wissenschaftler aus den USA für den Versuch, ob Patienten Nierensteine per Achterbahnfahrten schneller ausscheiden.
Anthropologie: Forscher aus Schweden, Rumänien, Dänemark, den Niederlanden, Deutschland, Großbritannien, Indonesien und Italien für das Sammeln von Beweisen in einem Zoo, dass Schimpansen Menschen etwa genauso oft und genauso gut imitieren wie Menschen Schimpansen.
Biologie: Wissenschaftler aus Schweden, Kolumbien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz für den Nachweis, dass Wein-Experten durch Geruch verlässlich nachweisen können, ob sich in ihrem Weinglas eine weibliche Fliege befindet.
Chemie: Forscher aus Portugal, die gemessen haben, wie gut sich menschliche Spucke als Putzmittel für schmutzige Oberflächen eignet.
Medizinische Bildung: Ein Wissenschaftler aus Japan für den medizinischen Report "Darmspiegelung im Sitzen: Lehren aus Selbst-Darmspiegelung".
Literatur: Forscher aus Australien, El Salvador und Großbritannien für den Nachweis, dass die meisten Menschen, die komplizierte Produkte benutzen, die Gebrauchsanweisung nicht lesen.
Ernährung: Ein Wissenschaftler aus Großbritannien, der berechnet hat, dass die Kalorienaufnahme bei einer Ernährung ausschließlich von Menschenfleisch deutlich geringer ist als die Kalorienaufnahme bei den meisten anderen traditionellen Ernährungsweisen mit Fleisch.
Frieden: Forscher aus Spanien und Kolumbien für die Messung von Häufigkeit, Motivation und Auswirkungen von Schreien und Fluchen beim Autofahren.
Fortpflanzungsmedizin: Wissenschaftler aus den USA, Japan, Saudi-Arabien, Ägypten, Indien und Bangladesch für die Benutzung von Briefmarken, um herauszufinden, ob das männliche Geschlechtsorgan richtig funktioniert - wie beschrieben in ihrer Studie "Nächtliche Penis-Schwellungs-Überwachung mit Briefmarken".
Wirtschaft: Forscher aus Kanada, China, Singapur und den USA für die Untersuchung, ob es effektiv für Arbeitnehmer ist, Voodoo-Puppen gegen übergriffige Chefs zu verwenden.
Tatsächlich gerade zufällig drüber gestolpert, weil ich mal wieder nachschauen wollte, was es so bei den Ig-Nobel-Preisen in den letzten Jahren für spannende Themen gab - und dann findet man tatsächlich schon was dazu auf onride. Vorbildlich!
Jetzt müsste man mal eine Vergleichsstudie machen, wie das auf Colorado Adventure oder Taron aussieht.
So ähnlich haben es auch die Autoren bereits am Ende der Studie formuliert:
"Other amuse-ment theme park rides should be evaluated to determine the exact forces most likely to dislodge calyceal renal calculi before the stones reach obstructive volume."
Wer gerade in Ermangelung offener Freizeitparks sein Wissenschafts-Englisch ein bisschen trainieren möchte, kann die komplette Studie im Original hier nachlesen.
"Jeder Tag, an dem Du nicht hechelst, ist ein verlorener Tag!" (Bonzaii! Inc. 2004)
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