Am Tag der Deutschen Einheit stand eine kleine Sachsen-Rundfahrt mit kurzem Abstecher nach Tschechien auf dem Programm.
Hätte Gelenau am Vortag nicht mehr geklappt, wäre das ein recht strammes Programm geworden, da wir bis 15 Uhr in Königstein hätten sein müssen. So konnten wir uns aber doch etwas Zeit lassen und nach dem langen Abend ausschlafen. Der Gasthausbetreiberin gefiel das nicht ganz so gut, sie bat uns am nächsten Tag etwas früher zum Frühstück zu kommen, da sie dann noch Besorgungen zu erledigen hätte. Kann ich (trotz Schließtag) nachvollziehen und sie blieb sehr freundlich, aber es waren halt nirgendwo Frühstückszeiten vorgegeben.
Und bis 10 Uhr sollte eigentlich schon üblich sein - wobei wir ehrlicherweise schon ziemlich knapp dran waren. Aber das nur am Rande.
Ausnahmsweise ohne großes Gepäck ging es schließlich gen Süden nach Oberwiesenthal, mit 914 Metern über NN die höchstgelegene Stadt Deutschlands.
Seinen Ursprung hat der Kurort im Bergbau, denn im 16. Jahrhundert wurde hier Silber gefunden. Allerdings konnte das Abbaugebiet in Oberwiesenthal nie die Bedeutung umliegender Reviere wie Annaberg oder Joachimsthal erreichen. Einen wirklichen Aufschwung erlebte der Ort erst mit Inbetriebnahme der Bahnstrecke Komotau-Weipert mit einem Bahnhof im rund 7 Kilometer entfernten Kovářská (Schmiedeberg) im Jahr 1872. Daraufhin wurde auch ein Bahnanschluss für Oberwiesenthal untersucht, welcher schließlich 1897 in Form der Schmalspurbahn Cranzahl-Oberwiesenthal realisiert wurde. Damit ermöglichte die heutige Fichtelbergbahn den Übergang vom Bergbau zum Tourismus.
Kurz vor Erreichen des Bahnhofs Oberwiesenthal überquert die Bahn das 100 Meter lange und knapp 20 Meter hohe Viadukt Hüttenbachtal.
Wir fuhren allerdings noch ein Stück weiter, denn unser Ziel war der Fichtelberg. Der ist mit knapp 1.215 Metern der höchste Berg Ostdeutschlands. Und das obwohl der höchste Berg des Erzgebirges quasi direkt gegenüber liegt. Aber der 1.244 Meter hohe Keilberg liegt halt schon in Tschechien. Zusammen bilden die beiden Gipfel das bedeutendste Wintersportzentrum des Erzgebirges.
Dazu trug auch die älteste Luftseilbahn Deutschlands bei, deren gelbe Stützen hier zu sehen sind.
Eröffnet wurde die Fichtelberg-Schwebebahn im Dezember 1924, nachdem vorherige Projekte (eine Standseilbahn 1899 und eine erste Schwebebahn 1912) abgelehnt worden waren. Letztere war durch die Leipziger Firma Adolf Bleichert & Co. als damals weltweit führendem Seilbahnbauer ausgearbeitet worden. Beim zweiten Versuch wurde man allerdings von der ATG (Allgemeine Transportanlagen-Gesellschaft) ebenfalls aus Leipzig ausgestochen. Das vermeintlich günstigere Angebot entpuppte sich aber schnell als Fehler. Die geplanten Baukosten konnten nicht eingehalten werden, zur Eröffnungsfeier konnten die Gondeln gerademal 20 Meter aus der Station herausfahren und auch im späteren Betrieb hatte man immer wieder mit technischen Problemen zu kämpfen. Zu schwere Gondeln und aus mehreren Segmenten zusammengesetzte Seile führten dazu, dass die Seile fast jährlich erneuert werden mussten. Daher wurde Bleichert doch noch ins Boot geholt, um zumindest die nötigsten Verbesserungen durchzuführen. Es folgten ein Konkurs in den 30ern und ein erster großer Umbau Anfang der 60er-Jahre. Anfang der 80er kam die Bahn jedoch an ihre Kapazitätsgrenze. Aus einem zunächst geplanten neuerlichen Umbau wurde schließlich ein Quasi-Neubau. Die heute zu sehenden Stützen wurden demnach erst 1985/ 1986 errichtet, weshalb die Sache mit der ältesten Luftseilbahn Deutschlands eigentlich auch nicht mehr ganz stimmt. Immerhin konnte die Fahrzeit von ursprünglich über 10 Minuten auf 3 Minuten verkürzt werden. Ein 2010 beschlossener Abriss der Anlage zugunsten eines modernen Neubaus konnte aufgrund fehlender Fördermittel glücklicherweise nicht realisiert werden, sodass man sich auch dank des Einsatzes der Bürger doch für eine Generalsanierung der alten Seilbahn entschied.
Wir fuhren allerdings mit dem Vierer-Sessellift der Firma Girak-Garaventa nach oben, welcher seit 1999 parallel verläuft.
Während die Betreibergesellschaft der Luftseilbahn der Stadt gehört, wird der Sessellift von der privaten Liftgesellschaft Oberwiesenthal (LGO) betrieben.
Auf Bilder der Bergfahrt habe ich verzichtet, da es trotz Wetterschutzhaube ziemlich windig war und so ein Smartphone ja nicht immer den besten Halt hat.
Auf dem Gipfel gab es natürlich noch weniger Hindernisse, die den Wind hätten abhalten können.
Wegen der guten Aussicht allein waren wir aber natürlich nicht hier. Denn vor wenigen Jahren hatte einer der (ehemaligen) Geschäftsführer der LGO im Urlaub eine Idee, wie man den Sessellift auch im Sommer besser auslasten könnte. Im Urwald von Costa Rica hatte er nämlich eine Zip-Line genutzt und wollte eine solche auch in Oberwiesenthal installieren. Das war aufgrund der geologischen Voraussetzungen aber wohl nicht möglich. Stattdessen stieß er auf die Firma Hochkant, welche im deutschsprachigen Raum den Vertrieb des Systems Fly-Line übernimmt. Und dieses ließ sich 2018 tatsächlich auch am Fichtelberg umsetzen - wenn auch zum Ärger des Naturschutzbunds, der bei den Planungen wohl einfach übergangen wurde und erst zufällig von der Anlage mitten im Brutgebiet der vom Aussterben bedrohten Ringdrossel erfuhr... Ohne Rekorde geht in Oberwiesenthal aber offenbar nichts, sodass die hiesige Fly-Line nicht nur die erste Sachsens, sondern obendrein auch noch die längste der Welt sein soll. Auf 1.550 Metern werden knapp 300 Höhenmeter überwunden. Zuvor heißt es aber Ticket einscannen, Gurt anlegen und Helm aufsetzen.
Dann wird man in den Schlitten eingehakt und rollt auf einem durch Stahlseile in der Luft gehaltenen Rohr gen Wald.
Zunächst weitestgehend in gerader Linie über die Baumwipfel hinweg. Nach dem ersten Mast auch mit ein paar Wellen.
Vor dem dritten Mast ist man dann endlich tief genug, dass man abdrehen und im Wald verschwinden kann, wo das Rohr an den umliegenden Bäumen aufgehängt ist. Dort windet sich die Strecke dann etwas kreativer zwischen den Bäumen hindurch, inklusive mehrerer
Kreisel, wobei die Flugbahn logischerweise von Ästen befreit werden musste - so ganz ohne Eingriff in die Natur geht es dann eben doch nicht. Ein paar Stämme an den Außenseiten von Kurven sind zudem mit dicken Matten umwickelt, falls man doch mal zu weit ausschwingen sollte.
Hat man es nach einer gefühlten Ewigkeit wieder aus dem Wald herausgeschafft, geht es über weitere Wellen und einen Kreisel schließlich ins Ziel.
Dort gilt es dann, möglichst schnell vom Schlitten ausgehakt und aus dem Weg geschafft zu werden, bevor der nächste Flieger landet. Das Ganze dauert übrigens geschlagene 10 Minuten, denn ich habe oben nicht umsonst "rollt" geschrieben. Die Höchstgeschwindigkeit ist nämlich per Fliehkraftbremse auf atemberaubende 13 km/h begrenzt. Das ist schon echt verdammt langsam. Ausschwingen tut man damit kaum und die Wellen haben auch nahezu keine Wirkung - abgesehen vom Höhenabbau. Natürlich muss man das Tempo mit Bedacht wählen, es soll ja niemand mit Vollgas gegen den nächsten Baum schwingen. Aber ein bisschen mehr würde meiner Einschätzung nach noch gehen. Am Thrill mangelte es mir trotzdem nicht, man hängt da schließlich nur an zwei Karabinern zum Teil etliche Meter über dem Boden und dreht sich mitunter mehrfach um die eigene Achse. Dass man sich im Gurtzeug auch entspannt zurücklehnen kann, habe ich erst auf etwa halber Strecke realisiert, bis dahin hatte ich mich doch etwas verkrampft an den Gurten festgehalten. Loslassen konnte ich aber auch danach nicht.
Gleich daneben gibt es übrigens noch eine Sommerrodelbahn. Die war 1992 - natürlich - die erste in den neuen Bundesländern.
Betrieben von Philipp Heinrich, dessen Eltern Lutz und Tanja zunächst die Bahn und 2000 die zugehörige Gastro-Blockhütte gegründet hatten.
Auf 540 Abfahrtsmetern zähle ich 8 richtige Kurven und eine flotte S-Kurve.
Vollkommen ausreichend, würde ich eher nochmal fahren als die Fly-Line.
Letztere kostete mit Bergfahrt im Sessellift übrigens 18€, die Fahrt mit der Rodelbahn war für 3€ zu haben. Eingeplant hatte ich für Oberwiesenthal eine dreiviertel Stunde, das kam auch ziemlich genau hin. Knapp zwanzig Minuten vor Zwölf machten wir uns auf den Weg nach Tschechien, die Grenze war ja wie erwähnt nicht weit...
Fazit: Meine erste Fly-Line und dann direkt die längste der Welt. Aber ich hatte mir ehrlich gesagt mehr erwartet, das mehr als zahme Tempo nimmt dem Ganzen doch etwas den Reiz. Was bleibt ist die Höhe und das Drehen, was bei mir zwar reichte, um ziemlich angespannt zu sein, davon hätte ich aber auch schon nach der halben Strecke genug gehabt. Von mir aus darf es also gerne schneller und kürzer sein. Rein vom Fahrspaß würde ich tatsächlich diese Spielplatz-Hängebahnen vorziehen, da schwingt man wenigstens vernünftig aus. Die Rodelbahn ist nichts Außergewöhnliches, hat mir aber trotzdem ganz gut gefallen. Kann man auf jeden Fall mitnehmen, wenn man schon vor Ort ist.