Der vorletzte Tag unserer Bavaustria-Tour war mit Christi Himmelfahrt zugleich ein Feiertag. Da im Nordosten des Freistaats die Neuheiten der Saison noch auf sich warten ließen, hatten wir einige der angedachten Ziele schon im Vorfeld wieder gestrichen. Der Bärenbob in Grafenau sah trotz des Feiertags noch keinen Grund, den Winterschlaf zu unterbrechen. Am Silberberg bei Bodenmais war neben der bestehenden Sommerrodelbahn ein neuer Alpine Coaster angekündigt, es gab aber noch keinerlei Infos zu Bauarbeiten oder gar einen Eröffnungstermin - inzwischen hat man tatsächlich mal angefangen, für 2025 sieht es also ganz gut aus. Und auch von den neuen Achterbahnen im Freizeitpark Edelwies, sowie im Churpfalzpark war noch nicht viel zu sehen, die wurden erst zwei Monate später fertig. Alle Ziele hätten wir eh nicht sinnvoll unterbekommen, die verbliebenen waren aber wiederum nicht wirklich tagesfüllend. Daher hatte ich zwischenzeitlich schon überlegt, ob wir nicht trotzdem den Churpfalzpark ansteuern sollten. Oder morgens nochmal nach Ruhpolding runterflitzen, um den Chiemgau-Coaster nachzuholen? Das wäre zeitlich dann schon wieder sportlich geworden. Mit den jüngsten Erkenntnissen hatten wir am Dienstagabend aber doch noch einen augenscheinlich passenden Plan für die beiden letzten Tage ausgeheckt. Auch wenn der einige Extra-Kilometer beinhaltete. Und so machten wir uns gegen 7:30 Uhr von Erding aus nochmals auf den Weg gen Osten.
Pünktlich um kurz vor 9 Uhr erreichten wir unser erstes Tagesziel im zur Gemeinde Sankt Englmar gehörenden Dörfchen Grün.
Gut 3 Kilometer weiter hatte 1952 bei Markbuchen am Fuße des 1.024 Meter hohen Predigtstuhls ein erster, einfacher Skilift eröffnet. Zehn Jahre später wurde daraus ein richtiger Schlepplift, dem zahlreiche weitere Lifte rund um Sankt Englmar folgten - bis Ende der 80er waren es ganze 18 Lifte. So auch am Westhang des sich zwischen Grün und Sankt Egidi auf etwas über 870 Meter erhebenden Egidi-Buckels. Bei so viel Konkurrenz kann man sich denken, dass nicht allen Liften eine rosige Zukunft beschieden war. So stand wohl auch der Egidi-Lift seit 1987 still, weshalb die damaligen Betreiber sicherlich froh waren, als die Grundstückseigentümer sie Mitte der 90er von der trotz allem zu zahlenden Pacht erlösten. Elfriede Bindl hatte die Idee, das Gelände für eine Sommerrodelbahn zu nutzen. Auch wenn der alte Schlepplift entgegen der ersten Planungen nicht für den Bergtransport der Schlitten genutzt werden konnte, wurde der Bayerwald-Bob zusammen mit einem Imbiss samt Spielplatz schließlich 1998 eröffnet. Gleich im ersten Jahr wurde D'Rodelbahn von 50.000 Menschen besucht und so machten sich Elfriede und ihr Mann Franz schon bald Gedanken darüber, wie sie den Erfolg auch auf Tage mit schlechterem Wetter ausweiten könnten. Die Lösung war ein Alpine Coaster, sodass 2008 der Bayerwald-Coaster das Angebot ergänzte. Ab 2012 erfolgte der kontinuierliche Ausbau mit zahlreichen weiteren Attraktionen zum Rodel- und Freizeitparadies - inklusive richtiger Achterbahn im Jahr 2016. Inzwischen sind die einstigen Geschäftspartner ausgestiegen, dafür hat Sohn Maximilian 2020 die Geschäftsführung übernommen und auch die drei anderen Kinder helfen natürlich fleißig im Familienunternehmen mit. Aber zurück zu unserem Feiertags-Besuch.
2023 wurde ein neuer Parkplatz für 470 PKW und 10 Busse gebaut. Als eines der ersten Autos parkten wir natürlich direkt an der Straßenunterführung.
Das ist mal ne coole Deutschland-Karte am Zugang zum D'Rodelbahn-Vorplatz.
S'Dorfladerl am Kassenhäuschen schaut auch noch recht frisch aus. Haben wir aber nicht besucht.
Der Zutritt zum Gelände ist natürlich frei, man zahlt nur die Nutzung der Attraktionen.
Für Spielgeräte und die kleineren Fahrgeschäfte werden 1 oder 2 (für die Bungee-Trampoline sogar 3) Gauditaler fällig, die zu je 1,50€ erworben werden können. Günstiger wird es ab 8 Talern, die bekommt man für 10€, 20 Taler werden sogar 1:1 umgetauscht, kosten also 20€. Bei den Rodelbahnen und der Achterbahn braucht man dagegen jeweils einen Rodelchip für 3,50€ (bzw. 3€ für Kinder). Hier gibt es den Mengenrabatt kundenfreundlich schon bei Abnahme von 6 Chips, die dann nur 18€ kosten. Bei 3 Bahnen und 2 Personen also optimal für uns, denn im Gegensatz zu anderen Systemen sind die Chips nicht personengebunden.
Trotz bestem Rodelwetter waren wir zur offiziellen Öffnungszeit nahezu alleine.
Nachdem die Kasse dann besetzt war und wir unsere Chips erworben hatten, ging es sogleich zur Bobbahn.
Alpine Coaster und Achterbahn wurden jeweils eine halbe Etage weiter oben angebaut.
Bayerwald-Bob und Coaster schlängeln sich auf 890, bzw. 735 Metern umeinander den Hang hinunter.
Die klassische Wannenbahn - mit den großen Schlitten, die denen der Alpine Coaster ähneln - setzt dabei vorwiegend auf die üblichen Serpentinen, von denen 11 Stück durchfahren werden. Etwa auf halber Höhe werden dabei auch die Lifte der beiden Rodelbahnen zunächst unter und dann wieder überquert. Einige kleinere und auch größere S-Kurven, sowie vereinzelte Jumps dazwischen lockern die Fahrt zusätzlich auf. Beim Bayerwald-Coaster ist das Layout noch etwas rasanter, dort geht es oberhalb der Bobbahn mit kleineren Schlenkern noch ein Stück weiter in den Wald hinein, wo die erste Serpentinenkurve absolviert wird. Zurück aus dem Wald kreuzt man die Wannenbahn, und mit der nächsten Serpentine gleich nochmals. Dann folgen ein kleiner Jump, ein Schwenk nach rechts und ein größerer Jump, der zu einem
Kreisel führt. Danach wird erneut die Wannenbahn gekreuzt, die anschließende Linkskurve wird in Etappen absolviert und von kleineren Jumps unterbrochen, wobei sie abermals den Bob kreuzt. Schließlich noch drei Serpentinenkurven mehr oder weniger parallel zur Wannenbahn, dann ist auch hier der Ausstieg erreicht. Sowohl der Bayerwald-Bob als auch der Bayerwald-Coaster haben mir sehr gut gefallen. Letzterer vor allem, weil die Magnetbremsen nur wenige Meter nach dem Lift und für eine sanfte Verzögerung in der letzten Serpentine vor dem Ausstieg zum Einsatz kommen. Die eigentliche Strecke kann man ungestört absolvieren.
Und dann gibt es ja noch die 2016 eröffnete Achterbahn Da voglwuide Sepp.
Die stammt natürlich nicht von Wiegand, sondern wurde im rund 25 Kilometer entfernten Deggendorf von
Zierer gefertigt - wohl nicht zuletzt, weil Parkbetreiber Franz Bindl früher selbst dort gearbeitet hatte. Bei rcdb und Konsorten wird die Bahn als einzige Auslieferung des Rock Runners gelistet - der auf der Webseite des Herstellers keine Erwähnung mehr findet. Letztlich handelte es sich einfach um einen gesonderten Namen für Terrain Coaster aus der Force-Reihe. Drei Züge besitzt die Bahn, das war an diesem Morgen definitiv noch zu viel, auch wenn sie nur aus jeweils fünf zweisitzigen Wagen bestehen. Daher war nur ein einzelner Zug auf der Strecke. Passend zu den drei Zügen gibt es auch drei Lifthills. Einmal ein kleiner mit Reibrädern, der aus der Station heraus über die Lifte der Rodelbahnen und einen Weg führt.
Nach einer Kurve folgen die beiden Kettenlifte, die zwischendurch von einer kleinen Abfahrt unterbrochen werden.
Auf einer flachen Wiese hätte man am Ende der Lifthills eine Höhe von 27 Metern erreicht - womit der voglwuide Sepp die dritthöchste Achterbahn Bayerns wäre. Dank der Anpassung ans Gelände überwindet der als Linkskurve ausgeführte
First Drop dennoch nur wenige Höhenmeter - und zieht dabei sogar schon einen kleinen Graben durch den Hang. Es folgt ein flacher Airtimehügel mit sanftem Umschwung, gefolgt von einem größeren, ebenfalls mit Umschwung. Nach einer Wende geht es wieder den Berg hinauf, wobei der große Hügel mit einem etwas zackigeren Umschwung unterquert wird, ehe eine weitere Wende den Zug wieder bergab schickt. Mit einem weiten Linksbogen wird die Senke zwischen den Lifthills überflogen, ehe sich die Kurve zu einer
Helix inmitten der Bobbahn verengt.
Es folgt ein Schwenk nach rechts, der die Spitze des zweiten Lifthills unterquert.
Und nach einer Wende wird der Zug über der 2012 eröffneten Wasserreifenrutsche abgebremst.
Noch ein letzter, langsam durchfahrener Links-Rechts-Schwenk über die Wannenbahn, dann dreht man auch schon in die Schlussbremse ein.
Ich weiß nicht, ob man den voglwuiden Sepp schon als kleinen Bruder der Lisebergbanan bezeichnen kann, aber gewisse Anleihen sind durchaus erkennbar, wie ich finde. Zum einen wäre da natürlich die offensichtliche Ausführung als Terrain Coaster, was bei mir grundsätzlich schonmal einiges an Pluspunkten gibt. Hinzu kommt die sanft geschwungene Schienenführung entlang des Berghangs mit einigen hübschen Hügelchen, die hier und da aber gerne noch etwas mehr
Airtime bieten könnten. Es fehlt eigentlich nur die dreifache
Helix, hier in Sankt Englmar gibt es eben nur eine einfache. Dafür liegt die Höchstgeschwindigkeit mit 60 km/h gar nicht mal so viel niedriger als in Schweden. Kurzum: Da voglwuide Sepp ist als längste Achterbahn Bayerns - mit 755 Metern sogar relativ deutlich vor dem zweitplatzierten Freischütz - ganz klar das Highlight im Rodel- und Freizeitparadies. Da dürfen sich andere Rodelbahnbetreiber gerne ein Beispiel nehmen, ein guter Terrain Coaster ist für mich nämlich die Königsdisziplin des Achterbahnbaus.
Der 20 Meter hohe Aussichtsturm am Fuße des Hangs ist inzwischen übrigens abgebaut worden.
Der war 2007 eröffnet worden, damals aber noch ohne Rutschen. Wann die ergänzt wurden, konnte ich leider nicht herausfinden, könnte mir aber vorstellen, dass sie 2014 zusammen mit dem Bayerwald-Fox und dem dahinter liegenden Abenteuergolf mit 12 Löchern installiert wurden. Im Wald daneben wurde 2017 zudem der Kuglwoid - eine große Kugelbahn-Anlage, die in Eigenregie entstand - eröffnet. Für diese Attraktionen gibt es weder Chips noch Gauditaler, man zahlt sie einfach direkt. Den Kuglwoid kann man für 2€ uneingeschränkt erkunden, für die Holzkugeln werden zudem 10€ Pfand erhoben. Eine Runde Abenteuergolf kostet 4€, hier werden für Schläger und Ball 2€ Pfand aufgerufen. Der Bayerwald-Fox kostet 7€, der Aussichtsturm an sich und die Rutschen sind kostenfrei nutzbar. Alle genannten Preise gelten für Erwachsene, Kinder und Gruppen sind natürlich etwas günstiger. Beim Bayerwald-Fox handelt es sich um eine Seilrutsche, die auf 6 Etappen eine Strecke von fast 300 Metern überwindet. Aus dem zweitobersten Stockwerk des Aussichtsturms führt die erste Etappe knapp 30 Meter Richtung Straße, wo man - wie im allerersten Bild zu sehen - über Balken nochmal ein wenig Höhe aufbaut.
Die zweite Etappe führt von dort etwas mehr als 50 Meter über das Abenteuergolf hinweg Richtung Hang.
Die dortigen Plattformen - wiederum mit leichter Höhenzunahme über eine Seilbrücke - befinden sich entsprechend nur noch wenige Meter über dem Boden. Etappe drei ist mit knapp 70 Metern die Längste und führt schräg den Hang hinab, wobei auch je eine der Serpentinen von Bobbahn und Alpine Coaster gekreuzt werden. Rund 40 Meter lang sind die Etappen vier und fünf, die jeweils über die Schlussbremsen von Achterbahn und Alpine Coaster führen. Man rutscht also zur Plattform zwischen Alpine Coaster und Bobbahn und anschließend direkt wieder zurück. Schließlich geht es über rund 30 Meter mit der letzten Etappe zum Aussieg direkt neben dem Aussichtsturm, der für die Saison 2025 nun komplett neu gebaut wird. Der neue Turm soll einen Meter höher werden, mit einem Aufzug barrierefrei werden und ganz oben überstehende Aussichtsplattformen bekommen. Die bestehenden Rutschen bleiben aber erhalten und bildeten so alleine in der Gegend rumstehend ein kurioses Bild während der Bauarbeiten (zu sehen auf der Facebook-Seite von D'Rodelbahn).
Das an die Rodelbahn-Stationen angeschlossene Egidi-Stüberl wurde 2017 neu gebaut, die nicht zu sehende Indoor-Spielhalle dahinter 2013.
Bungee-Trampoline gibt es laut Google Earth mindestens seit 2004, ebenso wie die Spielscheune dahinter.
Mit Hüpfburg, Kletternetzen und Rutschen.
Und mit Automatenpark im Untergeschoss.
Zwischen Spielscheune, Kletterspielplatz und weiteren Imbissen wurde 2015 ein Wasserspielplatz errichtet.
Auf der anderen Seite der Scheune findet sich eine Elektroautobahn.
Um Bernd das Brot zu zitieren: Mist!
Unterhalb der Wasserreifenrutsche wurde 2013 ein Sandspielplatz eröffnet, die Tretwagerlbahn folgte 2017.
Dem Hang weiter folgend kommt man einem Streichelzoo vorbei.
Direkt daneben geht es weiter mit dem 2018 eröffneten Baustellen-Spielplatz.
Und dem 2019 eröffneten Motorik-Park. Im Hintergrund der noch bestehende Doppelschlepplift Grün-Maíbrunn aus den Jahren 1964/65.
Die jüngste Erweiterung war im Jahre 2021 das Biberland, welches wie der Motorik-Park einen Teil des alten Parkplatzes ersetzte.
Hierfür setzte man wieder auf Zierer und ließ sich einen Familienfreifallturm,
sowie ein Wasserski-Rondell liefern.
Ein weiterer Imbiss rundet das sehr schön gewordene Biberland ab.
Vorbei an den Bumper-Boats machten wir uns gegen 9:40 Uhr wieder auf den Weg zurück zum Parkplatz.
Schließlich hatten wir an diesem Tag noch einiges an Strecke vor uns. Denn die weiteren Ziele waren weder der schon erwähnte Freizeitpark Edelwies, noch der Luftlinie nur gut einen Kilometer entfernte Waldwipfelweg Sankt Englmar. Wobei es durchaus interessant gewesen wäre, eine Nacht vorher dort gewesen zu sein, da wurde nämlich ein Airbus A319 per Schwertransport angeliefert. Der war seit 2005 als VT-SCA für Indian Airlines (bzw. Air India) im Einsatz gewesen, wurde aber 2020 ausgemustert und nach Saint Athan in England geflogen. Dort wurde die Maschine mit neuer Kennung LY-BHE durch Carlyle Aviation Partners ausgeschlachtet. Der leere Rumpf wurde dann 2021 nach Deutschland verschifft und bei Metallbau Voggenreiter in Niederalteich zwischengelagert. Mit frischer Optik wurde er nun eben auf der Straße zum Waldwipfelweg transportiert, wo er künftig auf Stelzen über dem Parkplatz thront und als VR-Attraktion dienen soll. Die Besucher nehmen im Bayerwald-Flieger Platz und können mit VR-Brillen einen Rundflug über den Bayrischen Wald genießen. Finde ich eine coole Idee, hätte dann allerdings eher die bestehenden Fenster mit Bildschirmen versehen, statt den Leuten VR-Brillen aufzusetzen. Aber das ist ja eh wieder eine andere Geschichte. Für uns ging es nun eine knappe Stunde gen Norden.
Fazit: Sommerrodelbahnen, die auch außerhalb der Wintersportsaison Besucher in Skigebiete locken sollen, gibt es viele. Immer öfter werden auch Alpine Coaster für weniger gute Tage ergänzt und gelegentlich gibt es auch mal ein paar weitere (Kinder-)Attraktionen. D'Rodelbahn Sankt Englmar hat das Spiel aber auf die Spitze getrieben und sich zu einem kleinen Freizeitpark entwickelt, der insbesondere mit der längsten Achterbahn Bayerns überzeugt. Da voglwuide Sepp ist einfach ein klasse Terrain Coaster, Bayerwald-Coaster und Bayerwald-Bob sind aber auch recht gut. Dazu noch die vielen Attraktionen für die ganze Familie, die zum Teil auch kostenlos genutzt werden können. Und mit dem neuen Parkplatz hat man anstelle des alten jetzt noch mehr Platz für künftige Attraktionen.