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Jens Uwe Kupka
Lensahn
Deutschland . SH
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Verfasst am Samstag, 30. Oktober 2004 20:08 Themenersteller |
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Kreis Anzeiger, 30. 10. 04
Echte Geister kommen nie ins Rentenalter
Familienunternehmen bietet Gruseliges auf dem 738. "Kaale Määrt" in Ortenberg - Erstmals seit fast 20 Jahren zu Gast
Michael Glebocki ORTENBERG. Drei große Zugmaschinen mit vier voll beladenen Anhängern, 2 000 Glühlampen, acht Mann und zwei Tage sind nötig, um Ortenberg das Gruseln zu lehren. Zum ersten Mal seit fast 20 Jahren steht auf dem Kalten Markt wieder eine Geisterbahn. 1985 stand "Schloss Dracula" vor dem Bürgerhaus und lud zur angenehm-gruseligen Rundfahrt ein. Besitzer dieses Fahrgeschäftes war Rudolf Schütze. Der Schausteller, der in diesem Jahr mit dem "Geister-Schloss" nach Ortenberg gekommen ist, heißt wieder Rudolf Schütze.
So weit, so gut. Ein genauerer Blick in die Geschichte der Geisterbahnfamilie jedoch fördert zutage, dass der erste Geisterbahnbesitzer im Jahre 1923 ebenfalls Rudolf Schütze hieß. Auch wenn Rudolf betont, dass "vor allem Geisterbahnen und Riesenräder" zu den Fahrgeschäften gehören, denen eine Familie treu bleibt - ein bisschen mulmig kann einen schon dabei werden . . .
Dabei ist des Rätsels Lösung so einfach: Seit 1923 heißen einfach alle Jungen der Familie Schütze Rudolf. Und weil sie mit ihren Vätern das Geisterbahngeschäft von der Pike auf gelernt haben, machen sie sich irgendwann selbständig und reisen umher - mit einer eigenen Bahn. Tradition verpflichtet eben. Und so kommt es, dass der bisher fünfte Rudolf erneut in Ortenberg zu Besuch ist, während sein Sohn (der sechste Rudolf) in der Nähe von Rostock Quartier bezogen hat. Gemeinsam mit seinem Sohn, dem siebten der Schütze-Rudolfs. Der ist mittlerweile 20 Jahre alt und bereitet sich schon auf seine Karriere als Geisterbahnbesitzer vor.
Zuhause in Oberhausen wartet eine dritte Geisterbahn - allerdings ein Museumsstück. Sie wurde 1949 gebaut: Ganz aus Holz und nach den Originalplänen der ersten Bahn. Auch heute noch wird sie alle zwei Jahre überholt und dafür in einer großen Halle aufgebaut. Einer allerdings konnte nicht genug bekommen von der "guten alten Geisterbahn": Peter Zadek wollte sie unbedingt vor dem Bochumer Schauspielhaus stehen haben. Ein Wunsch, der nach langem Bitten in Erfüllung ging. Die Geister der Familie Schütze kommen weit herum: Einige waren schon in Frank Zanders legendärer Plattenküche zu Gast, einer Fernsehshow in den Siebziger Jahren.
Auch wenn das Geister-Schloss von der ältesten Firma Deutschlands betrieben wird: Die "modernsten Gruseleffekte" stecken im "teuren Innenleben" der Geister, verkündet Rudolfs Frau Bärbel stolz. Sie ist - wie alle Schütze-Frauen - im Besitz des Befähigungsnachweises, kann also die Aufsicht über die Bahn übernehmen. Und natürlich hat sie einen Lieblingsgeist: Ein Spukelement aus der allerersten Bahn der Familie hat bis heute überlebt und spukt seit über 80 Jahren durch die Bahnen. Der "Glücksgeist", wie Bärbel ihn nennt, ist in Ortenberg natürlich mit von der Partie.
Nicht ganz so lange mit dabei ist einer der "jungen Männer", die auf Jahrmärkten immer wieder "zum Mitreisen gesucht" werden. Er ist seit 1965 mit den Schützes unterwegs und "seitdem nicht mehr zu Hause gewesen", plaudert Rudolf der Fünfte aus dem Nähkästchen. Wobei das durchaus wörtlich zu nehmen ist: Während er das sagt, sitzt er in der Werkstatt der Geisterbahn und repariert eine Perücke, an der der Zahn der Zeit seine Spuren hinterlassen hat.
Zoltan, der riesige Werwolf, und Dragomir, die Fledermaus, übernehmen in Rudolfs Auftrag abends die Rolle des "Anreißers" und locken die Vorbeigehenden in das zweistöckige Gruselkabinett: Herzlich willkommen im Geister-Schloss!
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