Das Ende der Nostalgie
Kirmes vor der Zeitenwende: Nie hatte Unnas Maisause so wenige Besucher
Unna | Regel Nummer eins im Musik-Express: vor Fahrtantritt keine Pommes Majo. Regel zwei: Der leichtere Fahrgast grundsätzlich nach innen. Und Kardinalgebot: Bloß keine Klassiker unterschätzen.
Von Silvia Rinke
... gruseliges Vergnügen im Horrorkabinett „Ghost“.
Kirmesspaß für die Kleinsten hoch zu Ross...
Im rasenden Tempo im Kreis herum und gleichzeitig in Gegenrichtung um die eigene Achse geschleudert zu werden - solch halsbrecherischer Kirmesgaudi „zieht“ noch. Fotos (4): Niemeyer
Die im irren Tempo im Kreis rotierende Riesenraupe ist als Klassiker der Maikirmes in diesem Jahr wieder zwischen P&C und Post aufgebaut. In wellenförmigem Auf und Ab jagt sie entfesselt ihre Runden und entwickelt dabei eine erstaunliche Fliehkraft, die die Passagiere schrill kreischend in die Außensitze drückt. (Merke: bei Pärchenfahrten grundsätzlich Mann nach außen. Es sei denn, die Gefährtin ist schwerer. Ansonsten erleidet sie Quetschungen.)
Die Gaudi an der selbstgewählten Pein scheint ungebrochen, immerhin haben die Passagiere hier im Gegensatz zu manchen anderen Fahrgeschäften ein trockenes Dach über dem Kopf. In Octopussy, der Riesenkrake, werden sie nass. Der blinkende Monstertintenfisch lauert bei seiner Kirmespremiere am Wendehammer vor dem Katharinen Hof auf Opfer, muss nach dem Wolkenbruch am Samstagabend allerdings einen vorübergehenden Engpass verkraften.
Dauerflaute herrscht bei harmlosen Kirmesspäßen wie Ballwurf auf Dosen oder Pfeilwurf auf Luftballons, vollends deprimierend geht´s an der Bude der Fadenzieherin zu: In dreieinhalb Stunden greift kein einziger Besucher zur bunten Strippe.
Fürs Entenangeln ein paar Meter weiter finden sich wenigstens noch einige gewissenhafte junge Eltern mit ihren Sprösslingen, hochkonzentriert fischt ein blonder Knirps, Zunge im Mundwinkel, mit seiner Magnetangel das Plastikfedervieh aus der Wasserrinne: „Dabei können die Kinder noch was lernen“, weiß der Schausteller und nickt wichtig dazu.
Den Lerneffekt Unnaer Kirmessen generell betreffend hat Daniela Miske bereits hinter sich. Pünktlich um 21.58 Uhr füllt sie die letzte spitze Pommestüte mit krossfrischen Kartoffelstäben, häuft Majo drauf und großzügig geschnittene Zwiebeln. Wischt sich die fettigen Finger an einem Papiertuch ab, atmet auf: „Feierabend!“
In Unna, plaudert die Dorstenerin, während sie routiniert die Kartoffelquetschmaschine wienert, macht sie grundsätzlich pünktlich Feierabend. „Länger zu öffnen lohnt hier nicht. Das ist eigentlich ganz unabhängig vom Wetter.“
Bei der Herbstkirmes läuft es „geringfügig besser“, beim Stadtfest „ein bisschen“, da bilden sich wenigstens stoßweise dann und wann mal Schlangen vor dem Imbisswagen. Generell aber - sie zuckt die Schultern, lächelt nachsichtig: „Unna eben!“
Während vor der Katharinenkirche stilecht unter Frank-Sinatra-Klängen ein letztes Mal der nostalgische Schwanenflieger abhebt (das pastellfarbene Kettenkarussell stammt tatsächlich noch original von 1949), geben zwischen Bahnhof und AOK die drei Hardcore-Geräte schrill quäkend alles: Der „Shake“, der „Shaker“ (schlimm und schlimmer) sowie Nessie, die Riesenschaukel.
Bremst das gewaltig hin- und her schwingende Loch Ness-Ungeheuer immerhin gnädigerweise noch scharf im rechten Winkel in der Luft ab und saust gleich wieder senkrecht in die Tiefe, schreckt der Schüttel-Rüttler neben der Radstation wohlweislich schon mit Warnhinweisen wie „Nicht für Epileptiker!“ und „Vorsicht, hier können Sie nass werden!“ vor Leichtsinnstaten ab.
Beim „Shaker“ schließlich, treffend vor der Gesundheitskasse AOK aufgebaut, genügt zur Abschreckung die reine Anschauung: Diese mörderische Erfindung ist wahrhaft nur was für Leute, die Spaß dran haben, in Wahnwitztempo im Kreis zu rasen, gleichzeitig in Gegenrichtung um die eigene Achse geschleudert zu werden und zusätzlich noch auf dem Kopf zu stehen - Ganzkörperüberschläge inbegriffen.
Quelle :
hellwegeranzeiger.de
Es gab noch einen Kommentar gestern in der Zeitung, dass man sich was überlegen muss bzgl der Maikirmes. Scheinbar ein bundesweiter Trend, oder wie seht ihr eS? Hier in der Umgebung sterben die Kirmessen mehr oder minder aus, bzw werden immer kleiner. Wenn ich dran denke, wie gross die Fliegenkirmes früher in meiner Heimatstadt Fröndenberg war und was mittlerweile draus geworden ist, das ist schon schlimm..
Die kleinen Kirmessen werden kleiner und die grossen Kirmessen behalten ihren Ruf bei.