Motiviert von den Aufbaubildern zum Bad Kreuznacher Jahrmarkt folgende Gedanken:
Das Ganze soll nicht ein Vorwurf gegen den einen Schausteller sein, mehr eine allgemeine Diskussion zu dem Thema.
Der indirekte Vorwurf der Schwarzarbeit wird deutlich empfindlicher aufgenommen als der Umstand, dass die Mitarbeiter dort ihre Gesundheit, wenn nicht gar ihr Leben, riskieren.
Gilt fehlende Arbeitssicherheit als Kavaliersdelikt?
Der Aufbau einer Wilden Maus ist von der Gefährdung her sicher noch eine andere Liga als ein Musikexpress, aber selbst bei einem Musikexpress wären Sicherheitsschuhe, Helm und Handschuhe angebracht.
Wenn auf einer Wilden Maus ohne das vorgenannte, und zusätzlich ohne Absturzsicherung gearbeitet wird kann man doch eigentlich nur den Kopf schütteln.
Die Frage die ich mir nun stelle: Warum wird das so gehandhabt? Gilt da die alte Weisheit "Das haben wir immer schon so gemacht"? Gilt ein Aushilfenleben nicht so viel? "Ist doch bisher immer gutgegangen"?
Und abgesehen von Verantwortung und gesundem Menschenverstand, wie sieht es mit der rechtlichen Lage aus?
Gelten für Schausteller andere Regeln als z.b. in der Veranstaltungstechnik? Schreibt die Versicherung (Berufsgenossenschaft o.ä.) nicht entsprechende Schutzmaßnahmen vor?
Was meint ihr dazu? Wer weiss was zu den rechtlichen Hintergründen? Wer kennt Schausteller oder ist einer und kann sagen woher die laxe Einstellung kommt?
Oder irre ich mich am Ende und das ganze betrifft nur einzelne schwarze Schafe, der Rest geht mit PSA-Vollausstattung an den Geschäftsaufbau?
Ich freue mich auf eine spannende Diskussion,
Gruß, Sven
Also ich habe schon einige Geschäfte auf und abgebaut und kenne viele Schausteller, habe aber selbst noch nie jemand mit einem Helm gesehn, andernfalls genung Leute die ungesichert irgendwo rumlaufen ob das auf den Achsen bei einer Schiffschauekl ist um die Bilder einzuhängen, ob das auf dem Dachstuhl eines Musikexpress ist beim Dachziehn oder beim Anbringen der Rückfront bei einem Breaker da gibts zig Beispiele für, denke aber das hier soviel Routine drin steckt das jeder genau weiß was er tut und tun kann!
Aber zuviel Routine fördert die Unachtsamkeit, was wiederum zu Unfällen führen kann.
Ich habe aber im Gegenzug auch schon genug Schausteller gesehen beim Auf- und Abbau, die gesichert auf den Geschäfte rum gestiegen sind. Kann aber natürlich auch das Gegenteil bestätigen, dass genug ohne jegliche Sicherung oder Sicherheitskleidung arbeiten.
Ich denke mal das es für das Schaustellergewerbe, genauso wie für alle anderen Sparten auch, entsprechende Sicherheitsvorschriften und Bestimmungen gibt. Es gibt sie für das Baugewerbe, Rettungsdienste, Feuerwehren usw. und sofort. Warum sollten die Schausteller da eine Ausnahme bilden?
Wie die aber lauten, keine Ahnung, da bin ich nicht vom Fach.
Ich kann mir auch gut vorstellen, das im Fall des Falles, sicher mit Versicherungen usw. Schwierigkeiten gibt, wenn es offensichtlich ist, das der Betreffende nicht ausreichend gesichert war. Inwiefern da der verantwortliche Schausteller zur Haftung gezogen würde, wäre eine interessante Frage.
Klar ist es ein Unterschied ob jetzt die Bodenplatten eines Autoscooters weg geräumt werden (aber auch hier sind wohl Sicherheitsschuhe angebrachter als Schlappen), oder ob jemand in 25 Metern Höhe die Stützen eines Frisbees montiert, oder die Schienen vom Eurostar montiert werden.
Nicht ganz Bereich Kirmes, aber die Doku über den Aufbau von Accelarator Coaster in Norwegen zeigte dies auch - in einer Szene bei dem Bau des Loopings klettert der Vorarbeiter ungesichert - gegen die Anweisung (aber mit dem scheinbaren Segen) seines vorgesetzten auf den Schienen herum.
Berufspathos?
Geldfrage?
Abhängigkeit vom Auftraggeber?
osteuropäischer Machismo?
mangelhafte Kontrollinstanzen?
Im Kirmessektor sicherlich ein Grund, der Zeitdruck.
Schnell von einem Platz zum nächsten umsetzten müssen, da muss es wohl oft zack zack gehen. Und sich zu Sichern bedeutet auch mehr Zeitaufwand. Also steigt man wohl so auch u.a. mal eben schnell wo rauf ohne irgendwo angehängt zu sein.
Im Kirmessektor sicherlich ein Grund, der Zeitdruck.
Schnell von einem Platz zum nächsten umsetzten müssen, da muss es wohl oft zack zack gehen. Und sich zu Sichern bedeutet auch mehr Zeitaufwand. Also steigt man wohl so auch u.a. mal eben schnell wo rauf ohne irgendwo angehängt zu sein.
Aus diesem gleichen Blickwinkel:
Bsp: Achterbahn, den Tag über werden Bügel zugedrückt, Tickets kontrolliert und verkauft, der Fahrbetrieb gesteuert und dann nachts mit dem Abbau begonnen - teilweise nachdem der Festbetrieb gerade eingestellt wurde oder auch gar noch läuft.
Ich hatte gerade statt "Festbetrieb" irgendwie "Fahrtbetrieb" gelesen und schon die absurdesten Bilder im Kopf...
"Lass die Schiene nochmal da, es fahren noch welche..."
Zur Sicherheitsfrage.
Wie in allen Bereichen gibt es auch auf der Kirmes Leute die meinen Sicherheitsvorschriften würden nur für andere gelten. Das sind dann mitunter die selben Leute die sich aufregen wenn keine Versicherung für ihren Schaden aufkommen will....
Tejay: Die "Kranplätze müssen verdichtet sein"-Doku hatte ich auch im Hinterkopf, aber da der Hintergrund der Truppe ja auch im Schaustellergewerbe ist habe ich das Vorgehen auch eher der Kirmes zugerechnet.
In den Parks scheint mir da im normalen Betrieb mehr Sorgfalt zu herrschen, wobei da ja seltener solche Situationen eintreten. Am Lifthill von Colossos gibt es z.B. ein Sicherungsseil, in dass der Karabiner eingeklinkt werden kann beim besteigen des Lifthills.
Die Erwähnung der Arbeitszeiten ist gut, das hatte ich noch übersehen. Die Gefahren steigen natürlich rapide an wenn die Mitarbeiter übermüdet sind.
Ich habe ein wenig Einblick in die Veranstaltungstechnikbranche, die ja recht ähnlich vom Geschäftsablauf ist - viel Bauarbeiten für einen kleinen Zeitraum, grosse Höhen, grosse Lasten. Dort hat sich in den letzten Jahren einiges getan, was die Arbeitssicherheit angeht. Wenn ich das richtig sehe kommt das vor allem durch die Einführung von Ausbildungsberufen und weitergehender Qualifikationen, sowie der Verpflichtung für Veranstaltungen in gewissen Grössen mindestens einen Meister auf der Baustelle zu haben und ähnliches. Durch die entsprechende Ausbildung dieser Leute und die Verantwortung derselbigen für die Vorgänge auf der Baustelle ist die Aufmerksamkeit für halsbrecherische Aktionen sicher gewachsen.
Die Frage ist, wie das auf das Schaustellergewerbe zu übertragen wäre. Was da für Geräte ohne nachweisliche Qualifikation (ausser angelernt worden zu sein) aufgebaut werden ist schon abenteuerlich. Dafür kommt natürlich nach dem Aufbau der TÜV und gibt das Geschäft frei, aber meiner Meinung nach ersetzt die nachträgliche Sichtprüfung nicht das Fachwissen über Statik, Bauteilbelastbarkeit und ähnliches in der Aufbauphase.
Da fällt mir grad noch das Thema Ladungssicherung ein... ;)
Und abgesehen von Verantwortung und gesundem Menschenverstand, wie sieht es mit der rechtlichen Lage aus?
Gelten für Schausteller andere Regeln als z.b. in der Veranstaltungstechnik? Schreibt die Versicherung (Berufsgenossenschaft o.ä.) nicht entsprechende Schutzmaßnahmen vor?
Hi schrott,
Veranstaltungstechnik ist vom Prinzip genau dasselbe wie auf der Kirmes beim Schausteller. Der Oberbegriff nennt sich "Fliegende Bauten". Daher gelten hier vom Grundsatz her auch dieselben Regeln, Gesetze, Vorschriften etc.
D.h. auch eine PSA (Persönliche Schutz-Ausrüstung) ist eigtl. erforderlich.
Die meisten werden es nach dem Motto handhaben, dass sie einfach hoffen, dass nichts passiert. Wenn doch etwas passiert, kann man entweder im Nachhinein noch versuchen das gerade zu biegen (wie auch immer), oder man hat eben Pech gehabt. Das wird dann wohl unter berufliches Risiko gezählt...
Auf gut deutsch: Jeder muss auf sich selbst achten... Wer Fehler begeht oder Pech hat, hat ein Problem.
Was mich jedoch viel mehr interessiert und was auch deutlich mehr Gewicht hat wäre die Frage, ob beim Aufbau eines Fahrgeschäfts auch auf Sicherheit geachtet wird. Also Betriebssicherheit sozusagen. Mir ist zwar klar, dass das Aufgebaute Geschäft vom TÜV "abgenommen" wird - es sollte aber auch jedem klar sein, dass das ja nicht bedeutet, dass alles sicher ist.
Sprich: Wird hier auch geschlampt oder wird penibel auf jegliche Sicherheit geachtet? Wird wahrscheinlich von Schausteller zu Schausteller unterschiedlich sein...
darum habe ich die beiden ja auch verglichen. Wobei durch die Versammlungsstättenverordnung ja doch noch einiges anders ist im Veranstaltungstechnikbereich, da ist ja vieles stärker reguliert als auf dem Rummelplatz.
Apropos: Gilt die Versammlungsstättenverordnung auch für eine Geisterbahn z.B.?
Aber selbst wenn, bei der geringen Anzahl an gleichzeitig anwesenden Gästen ist das eh alles unkritisch. Fluchtwege ausschildern und fertig.
Was mich jedoch viel mehr interessiert und was auch deutlich mehr Gewicht hat wäre die Frage, ob beim Aufbau eines Fahrgeschäfts auch auf Sicherheit geachtet wird. Also Betriebssicherheit sozusagen. Mir ist zwar klar, dass das Aufgebaute Geschäft vom TÜV "abgenommen" wird - es sollte aber auch jedem klar sein, dass das ja nicht bedeutet, dass alles sicher ist.
Sprich: Wird hier auch geschlampt oder wird penibel auf jegliche Sicherheit geachtet? Wird wahrscheinlich von Schausteller zu Schausteller unterschiedlich sein...
Eigentlich erfolgt bei den seriösen Schaustellern jeden Tag eine erneute Abnahme durch die Angestellten. Dies ist insofern wichtig, da es einige Menschen gibt, die einen Nutzen aus Un- oder Zwischenfällen ziehen.
Abschließend erfolgen mehrere Testfahrten, wo eben genau geschaut wird, ob das Ding noch genauso steht, wie es sein soll.
Das kann ich voll bejaen.
Ich hatte mich vor kurzem mit einigen Schaustellern wegen dem Zwischenfall mit der Lichtleiste unterhalten. Da wurde mir bestätigt, daß sie vor Spielbeginn ihr Fahrgeschäft überprüfen. Es sei nicht auszuschließen, daß durch den Spielbetrieb (Erschütterungen, Schwingungen usw.) sich Verbindungen lockern können. Dies muß jeden morgen überprüft werden, da keiner wegen solcher Nachläßigkeiten hinter Gitter will.
@ schrott
Die Versammlungsstätten Verordnung gilt ansatzweise für die Platzbelegung, wegen der Flucht- und Rettungswege sowie der Zufahrt für Einsatzfahrzeuge.
Bei Fest- und Zirkuszelten greifen die Verordnung über Fliegende Bauten und die Versammlungsstätten Verordung voll.
Die Versammlungsstätten Verordnung ist für Räumlichkeiten anzuwenden, die mehr als 200 Personen aufnehmen können.
Gruß
Hermann
Wer mit dem Kopf durch eine Wand will, muss wissen, dass die Wand das Spiel gewinnt. :ohno:
Die Versammlungsstätten Verordnung gilt ansatzweise für die Platzbelegung, wegen der Flucht- und Rettungswege sowie der Zufahrt für Einsatzfahrzeuge.
Bei Fest- und Zirkuszelten greifen die Verordnung über Fliegende Bauten und die Versammlungsstätten Verordung voll.
Die Versammlungsstätten Verordnung ist für Räumlichkeiten anzuwenden, die mehr als 200 Personen aufnehmen können.
... und daher bei Geisterbahnen nicht zwingend anzuwenden, da sich dort meistens keine 200 Personen gleichzeitig aufhalten werden.
Das kann ich voll bejaen.
Ich hatte mich vor kurzem mit einigen Schaustellern wegen dem Zwischenfall mit der Lichtleiste unterhalten. Da wurde mir bestätigt, daß sie vor Spielbeginn ihr Fahrgeschäft überprüfen. Es sei nicht auszuschließen, daß durch den Spielbetrieb (Erschütterungen, Schwingungen usw.) sich Verbindungen lockern können. Dies muß jeden morgen überprüft werden, da keiner wegen solcher Nachläßigkeiten hinter Gitter will.
Und wer die Zapfen an den Leisten kennt, weiß das die sich weder durch Vibrationen (ausser bei einem Erdbeben) lösen können noch durch den Alltagsbetrieb...von daher ist oft die Sorge das etwas schief geht, meist eher unberechtigt. Bei der angesprochenen Leiste wird wohl jetzt nicht nur der Betroffene Betreiber jeden morgen überpfüfen, ob die noch richtig sitzt, sondern auch allen anderen Musikexpress Betreiber. Nur, auf die Idee muss man erst mal kommen, die Leisten zu überprüfen, da die ja, eigentlich nicht herunterfallen können.
Ergo wird durch jeden "Zwischenfall" die Liste der Dinge, die täglich gecheckt werden, länger.
Als Betreiber von Fahrgeschäften steht man eh mit einem Bein im Knast, da geht man nicht durch solche Nachlässigkeiten das Risiko ein, die Existenz zu verlieren.
Zumindest ist dies bei den seriösen Schaustellern so.
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